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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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545Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ Kreuze aus den Schulklassen, das Verbot der Fronleichnamsprozession, Sanktio- nen gegen aufmüpfige Pfarrer  – kein Thema. Der bäuerliche Briefschreiber hatte weniger das regionale, sich gegen den staatlichen Zugriff abschließende Milieu, sondern vielmehr den Nationalstaat als umverteilende „Wohlfahrtsdiktatur“210 im Sinn. In dieser Hinsicht erschien der Nationalsozialismus weniger als milieufrem- der Gegner, sondern vielmehr als staatlich legitimierter Fürsprecher  – als im „Füh- rer“ verkörperter Über-Patron, der seinen Klienten, vor allem den Schwächeren und Ärmeren, in ‚gerechter‘ Weise Lasten auferlegte und Leistungen zukommen ließ, mithin deren Wohlfahrt verantwortete. „Der Hitler hat uns zu Menschen gemacht“, bringt ein damals in Frankenfels bediensteter Landarbeiter die erfah- rene Aufwertung  – höherer Lohn, bessere Unterkunft, gehobenes Ansehen  – und die damit verbundene Aufstiegserwartung nachträglich zum Ausdruck.211 Diese Heils erwartung war mehr als lediglich „schöner Schein“ ;212 sie war sinnlich er- fahrbar in der Einführung der reichsdeutschen Sozialversicherung 1939213 sowie in sozialpolitischen Leistungen wie Ehestands- und Kinderdarlehen, Kinder- und Ausbildungsbeihilfen und Einrichtungszuschüssen.214 Wo Heilserwartung und alltägliche, diskursiv gerahmte Erfahrung auseinanderklafften, forderten die Kli- enten ihren Anspruch auf Gerechtigkeit mitunter ein  – unter anderem mittels Bitt- und Beschwerdebriefen an die Patrone des Staatsapparats. Leitner unterlegte seinen Briefen offenbar ein derartiges Patron-Klient-Verhältnis ; sein Schreibimpe- tus speiste sich allem Anschein nach aus dem moralökonomischen Gerechtigkeits- anspruch, den er gegenüber der wohlfahrtsstaatlichen Diktatur und deren „Führer“ erhob. Dass der Einschluss in die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ eng mit dem Ausschluss der als „gemeinschaftsfremd“ definierten Gruppen der Gesell- schaft zusammenhing, thematisierten die Briefe indes nur am Rande, etwa in den geforderten Sanktionen gegen Alkoholiker.215 Diese vorläufige Antwort, die auf der Erstlektüre der Briefe basiert, führt zu einer weiteren Frage : In welchen symbolischen, sozialen und materiellen Zusam- menhängen gewann die Vorstellung der wohlfahrtsdiktatorisch regulierten „Volks- gemeinschaft“ als Schreibimpetus Kontur ? Lesen wir daher die Briefe Leitners ein zweites Mal, diesmal genauer. Das Schreiben an den „Führer“ eröffnete zu Jahres- beginn 1941 die Briefserie : „An unseren Führer ! Frankenfels, am 20. Februar 1941 Leitner Leopold, Fischbachmühlrotte 13, Post Frankenfels, Kreis St. Pölten, bittet um Abhilfe der folgenden Mißstände. In der Ostmark kann man bemerken, daß noch immer Fälle sind, daß trotz den hohen Weinpreis, trotz der Geldknappheit (Geld- mangel) sich noch immer manche übermäßig betrinken. Könnte in diesen Fällen
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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