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555Die
imaginierte „Volksgemeinschaft“
Gebirgsbewohner das letzte Wort zu lassen – „deshalb ist es höchst notwendig und
der Behörden strengste Pflicht, das Loos der bedrängten Gebirgsbevölkerung et-
was zu erleichtern“. Der Briefschreiber verschmolz die ihm verfügbaren Diskurs-
positionen zur Figur des meckernden, aber pflichtbewussten Gebirgsbauern.
Auf diese Weise äußerte Leitner gegenüber einem regionalen Amtsträger des
NS-Staates eine Ansicht – die wachsende Kluft zwischen bergbäuerlichen Erwar-
tungen und Erfahrungen seit dem „Anschluss“ –, der die NS-Dorfelite eineinhalb
Jahre zuvor zynisch mit dem Ausschluss aus der „Volksgemeinschaft“ begegnet
war. Mit 1938 als Zeitenwende knüpfte er im Akt des Briefschreibens an den im
Zeitungsartikel behaupteten Kontrast zwischen „Systemzeit“ und „neuer Zeit“ an.
Gleichzeitig machte er diesen großen Unterschied zu einem kleinen, indem er den
Abbildung 6.7 : Bäuerliche Subjektpositionen im Spezial-, Inter- und
Alltagsdiskurs
Quelle : eigene Darstellung nach St. Pöltner Zeitung vom 10.8.1939, 10 ; NÖLA, BH St. Pölten, I/1941,
Schreiben Leopold Leitners an den Landrat in St. Pölten vom 1.3.1941.
sozialer Raum
diskursiver Raum
Spezialdiskurs der NS-Agrarbürokratie
rationeller Landwirt
zäher Gebirgsbauer pflichtbewusster Volksgenosse
krankhafter
Systemlingböswilliger
Meckerer
Gebirgsbauer als Ernährer Gebirgsbauer als Blutquell
sippenverbundener Bauer
Interdiskurs der NS-Dorfelite
Alltagsdiskurs Leopold Leitners
meckernder, aber pflichtbewusster Gebirgsbauer
Landbauer Arbeiter
Relation der Identifizierung
Relation der Differenzierung
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937