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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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597Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften etwa auf einem 15-Hektar-Betrieb in Wieselbruck, Kreis St. Pölten, hinsichtlich der Saisonarbeiter/-innen : „Nach ihrem glaubwürdigen Geständnis haben die Angeklagten diese Schwarzschlachtung vorgenommen, um dadurch etwas mehr Fleisch für sich und ihr Personal zur Verfügung zu haben, vor allen Dingen aber deshalb, um im Sommer den bei ihnen beschäftigten sonst schwer erhältlichen Saisonarbeitern markenfrei Zubußen an Fleisch geben zu können.“85 Nicht nur größere Betriebe mit hohem Bedarf an Fremdarbeitskräften, sondern auch Klein- häusler- und Kleinbauernfamilien mit älteren oder kranken Angehörigen befan- den sich oft in der gleichen Zwickmühle : „Sie [die Angeklagten] verantworten sich damit, daß sie mit der ihnen zustehenden Fleischmenge das Auslangen nicht gefunden hätten, daß sie zufolge ihres hohen Alters nicht mehr voll arbeitsfähig und daher auf Erntearbeiter angewiesen seien und daß sie Landarbeiter nur unter der Voraussetzung, daß sie ihnen markenfreie Fleischkost verabreichen würden, bekommen konnten.“86 Damit verschob sich das Machtgefälle zwischen Dienst- geber- und Bedienstetenseite ; angedrohte Arbeitsverweigerungen wegen unzu- reichender Kost verfehlten meist ihre Wirkung nicht : „Es lässt sich ferner nicht widerlegen  – es besteht sogar nach den bisherigen Erfahrungen des Gerichtes eine große Wahrscheinlichkeit dafür  – daß die Druscharbeiter den Angeklagten unter einen gewissen Druck gesetzt haben, indem sie die Arbeit nach ihrer Auffassung mangelnder Kost wegen zu verweigern drohten.“87 Der Einsatz der Amtsgewalt gegen „Arbeitsverweigerer“ verschob zwar das Problem, war aber kaum geeignet, es zu lösen. So legten auf einem 16-Hektar-Betrieb in Preinsbach, Kreis Amstetten, zwei polnische Zivilarbeiter wegen Fleischmangels die Arbeit nieder. Nachdem einer der beiden deswegen verhaftet worden war, wurde als Ersatz ein benach- barter Kleinhäusler als Arbeitskraft angeworben. Da auch er Fleischkost forderte, entschloss sich der Betriebsbesitzer, seiner Aussage zufolge, zur „Schwarzschlach- tung“.88 Der moralische Anspruch auf „markenfreie“ Fleischkost kennzeichnete offenbar Landarbeiter/-innen unterschiedlicher Nationalität und Geschlechtszu- gehörigkeit ; er erscheint als Ausdruck der „Rationengesellschaft“,89 welche die Unterschiede zwischen den ländlichen Besitzklassen  – den bäuerlichen „Selbstver- sorgern“ gegenüber den unterbäuerlichen „Normalverbrauchern“  – akzentuierte. Die Versorgungsansprüche der familienfremden Arbeitskräfte  – wie auch der zum Militär rekrutierten Familienangehörigen90  – waren ein Antrieb, der die Entscheidung zur „Schwarzschlachtung“ begünstigte, das Regime der amtlichen Hausschlachtungsbewilligung ein anderer. Hausschlachtungen standen „Selbstver- sorgern“ zu, die eine gewisse Zeit hindurch Rinder, Schweine oder Schafe gefüttert hatten ; sie waren die tragende Säule der bäuerlichen „Selbstversorgergemeinschaft“. Hausschlachtungen wurden durch die Kartenstelle, die meist am Gemeindeamt angesiedelt war, genehmigt und abgerechnet. Die Fleisch- und Fettmengen, die
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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