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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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598 Ordnung und Chaos des Marktes bäuerlichen Selbstversorgerhaushalten im Rahmen von Hausschlachtungen oder Zukäufen zugestanden wurden, richtete sich nach der Zahl der ständig zu ver- köstigenden Personen, einschließlich der ständigen Fremdarbeitskräfte. Die Wo- chenration von 1.060 Gramm pro Person lag, wie die Sondergerichte immer wie- der betonten,91 deutlich über der Schwerarbeiterration. Wenn beispielsweise eine Hausschlachtung 100 Kilogramm Schweinefleisch ergab, musste ein bäuerlicher Haushalt mit fünf beköstigten Personen damit 16 Wochen  – berechnet aus dem Schlachtgewicht abzüglich 15 Prozent Verarbeitungsverlust geteilt durch 5,3 Ki- logramm Wochenration  – auskommen.92 Taglöhner/-innen und Saisonarbeiter/- innen, die am Hof verköstigt wurden, waren in die Selbstversorgerrationen jedoch nicht eingerechnet. De jure hätten sie zu diesem Zweck ihre Fleischmarken ver- brauchen müssen ; de facto forderten sie aber meist eine „markenfreie“ Verkös- tigung. Daher öffnete sich für Betriebe mit häufigem Bedarf an nichtständigen Arbeitskräften eine Lücke zwischen tatsächlich verbrauchter und amtlich zuge- standener Fleischmenge, die etwa durch „Schwarzschlachtungen“ gefüllt werden konnte : „Die Angeklagten haben in ihrer Einlassung angegeben, sie seien zu den Schwarzschlachtungen gezwungen gewesen, weil sie bei dem Umfang ihres Be- triebes Taglöhner aufnehmen mußten, die nicht auf die Selbstverbraucherquote angerechnet werden, andererseits aber erfahrungsgemäß immer eine fleischreiche Verpflegung ohne Abgabe ihrer Lebensmittelkarten verlangen.“93 Verschärft wurde diese Kluft durch die staatlichen Versuche, der Verknappung des Angebots auf dem offiziellen Fleischmarkt  – und der dadurch beschleunig- ten Flucht in den „Schwarzmarkt“  – durch die Dämpfung der Nachfrage Herr zu werden. So kürzte das REM im Juni 1941 die wöchentlich einer Person zu- stehende Selbstversorgerrationen an Fleisch und Fett, außer Butter, von 1.060 auf 860 Gramm. Zudem wurde die Bewilligung von Frischfleischbezügen und Hausschlachtungen für Selbstversorgerhaushalte eingeschränkt.94 Eine weitere Kürzung  – die offizielle Diktion lautete beschönigend „Änderung“  – der bäuer- lichen Fleisch- und Fettrationen erfolgte im April 1942. Der Zeitraum, auf den die Mengen für „landwirtschaftliche Selbstversorger“ ausgelegt waren, wurde um fünf Wochen, von November 1942 auf Jänner 1943, verlängert.95 Im Fall eines 38-Hektar-Betriebes in Zagging, Kreis St. Pölten, ergab sich im Zusammenhang dieser Rationskürzungen ein ernstlicher Engpass : „Im Wirtschaftsjahr 1940/41 sei man nämlich in dieser Gegend etwas großzügig bei Hausschlachtungen verfahren und es seien ihm damals insgesamt 7 Hausschlachtun- gen zugebilligt worden. Obwohl das Fleisch aus diesen Schlachtungen im wesent- lichen verbraucht worden sei, sei dann später plötzlich infolge der Verschärfung der Lage auf dem Gebiete der Fleischversorgung nicht nur die Bewilligung der neuen
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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