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600 Ordnung und Chaos des Marktes
nicht nur auf ausreichende, sondern auch auf „ortsübliche Kost“ – eine Chiffre für
den moralisch gerechtfertigten Anspruch auf eine fleischreiche Verköstigung (im
Unterschied zu den im Artikel propagierten Ersatzgerichten aus Kartoffeln) – als
Gegenleistung für deren Arbeitsleistung. So gesehen tangierte der geschlechterbe-
zogene Appell des Wochenblatts den Widerspruch, den seine Wortführer/-innen zu
umgehen trachteten.
Die unumkehrbare Wende in der Fleisch- und Fettbewirtschaftung für die
„landwirtschaftlichen Selbstversorger“ 1941/42 kommt auch in den Zahlen der
genehmigten Hausschlachtungen von Schweinen zum Ausdruck. 1941 nahmen
die Hausschlachtungsbewilligungen gegenüber den Vorjahren sprunghaft zu. Da-
hinter verbarg sich die grundlegende Umstellung des Regimes der Schlachtungen :
An die Stelle der überwiegenden gewerblichen Schlachtungen – 229.919 gegen-
über 58.072 Hausschlachtungen auf dem Gebiet Niederösterreichs und des nörd-
lichen Burgenlandes 1940 – traten die Hausschlachtungen – 379.560 gegenüber
88.852 gewerblichen Schlachtungen 1941 (Abbildung 7.5). Auf diese Weise wurde
die bäuerliche „Selbstversorgergemeinschaft“ durch die staatliche Regulation des
Schweinefleischmarktes erst ins Werk gesetzt. Doch ab 1942, mancherorts erst ab
1943, genehmigten die Behörden immer weniger Hausschlachtungen von Schwei-
nen. Damit entzogen sie der bäuerlichen „Selbstversorgergemeinschaft“ – die in
Abbildung 7.5 : Anteil der Hausschlachtungen an der Gesamtheit geschlachteter
Schweine in Niederösterreich und dem nördlichen Burgenland 1939–1944
Anmerkung : Die Gebietseinteilung bezieht sich auf den Stand von 1937. Das nördliche Burgenland
umfasst die Bezirke Eisenstadt, Mattersburg, Neusiedl am See und Oberpullendorf.
Quelle : eigene Berechnungen nach ÖStZA (Hg.), Ergebnisse.
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politische Bezirke
Gesamtheit
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937