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626 Ordnung und Chaos des Marktes
Kommen wir nun zum Ertrag der Pflanzenproduktion. Was zunächst auffällt,
ist das jährliche Auf und Ab der Hektarerträge. So kennzeichneten das Katastro-
phenjahr 1940 Ernteausfälle gegenüber dem Durchschnittsertrag der Vorkriegs-
zeit
– 17 Prozent bei Winterweizen, 22 Prozent bei Winterroggen und 16 Prozent
bei Zuckerrüben ; auch 1942 und 1944 brachten vielfach unterdurchschnittliche
Erträge.165 Die Schwankungen der Getreide-, Hackfrucht- und Weinerträge hing
unter anderem von der Witterung während der Vegetationsperiode ab.166 So hob
sich etwa 1940 durch Niederschläge bis zum Doppelten der Normalmengen im für
das Pflanzenwachstum entscheidenden Monat Mai sowie durch Temperaturmittel
von bis zu zwei Grad Celsius unter dem langjährigen Durchschnitt ab ; auch die
übrigen Jahre wichen teils erheblich vom langjährigen Durchschnitt ab (Tabelle
7.7).167 Der Witterungsverlauf erklärt die schwankenden und tendenziell abneh-
menden Erträge jedoch nicht zur Gänze ; ein erheblicher Teil ging zweifellos auf
das Konto des sich verschärfenden Mangels an Arbeitskräften und Betriebsmitteln.
Für den Vergleich der Hektar-Ernteerträge greifen wir neben dem Wein sie-
ben in Niederdonau mengenmäßig bedeutsame Feldfrüchte heraus : Weizen und
Roggen als Brotgetreidearten, Gerste und Hafer als Futtergetreidearten sowie
Kartoffeln, Futter- und Zuckerrüben als Hackfrüchte (Abbildung 7.13). Die Er-
tragskurven für Weizen und Roggen zeigen ähnliche Verläufe : Gute bis ausge-
zeichnete Ernten wurden 1937, 1938, 1939, 1941 und 1943 verzeichnet ; mäßige
bis katastrophale Ausfälle brachten 1940, 1942 und 1944. Die regionalen Klima-,
Relief- und Bodenverhältnisse bedingten die unterschiedlichen Ertragsniveaus
in den Bezirken : Die Hektarerträge in Melk kamen dem landesweiten Durch-
schnitt ziemlich nahe ; Gän sern dorf, die „Kornkammer“ Niederdonaus, rangierte
im Spitzenfeld ; Gmünd zählte in der Regel zu den ertragsärmsten Gegenden –
mit Ausnahme von 1942, als der landesweite Ernteausfall bei Weizen und Roggen
hier kaum durchschlug. Etwas gleichmäßiger entwickelten sich die Futtergetrei-
deerträge : Zwar brachte 1938 auch bei Gerste und Hafer eine überaus reichliche
Ernte ; doch der Ausfall von 1940 fiel weniger krass als beim Brotgetreide aus. Die
Rangreihe Gän sern dorf, Melk und Gmünd setzte sich – wiederum abgesehen von
1942 – beim Futtergetreide fort. Die Kartoffelerträge tendierten landesweit, aber
auch in den drei Untersuchungsregionen über die Jahre nach unten. Die höchsten
Flächenerträge warfen die Kartoffeläcker in Gän sern dorf ab ; dann folgte Melk,
wo die Erträge häufig dem Landesdurchschnitt entsprachen ; das Schlusslicht
bildete wiederum Gmünd. Ebenso zeigten die Futterrübenerträge eine fallende
Tendenz, wobei vor allem 1940 einen herben Rückschlag brachte. Die Rangreihe
der Untersuchungsregionen – Gän sern dorf vor Melk und, mit großem Abstand,
Gmünd – blieb dabei erhalten. Empfindlich auf die jährlichen Wachstumsbedin-
gungen reagierten offenbar die Zuckerrüben, deren Erträge nach dem Rekord von
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937