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637Die
verlorene „Erzeugungsschlacht“ ?
zeigen sich auf Bezirksebene erhebliche Verschiebungen. In Gmünd, wo 1939 der
Eigenverbrauch anteilsmäßig weit über dem Durchschnitt lag, nahmen die Anteile
verzehrter, verarbeiteter und verfütterter Milch merklich ab ; im selben Maß nahm
die Marktquote zu. Eine gegenläufige Entwicklung zeigte Gän sern dorf, wo sich
der Eigenverbrauch, vor allem zur Kälberfütterung, auf Kosten der Marktquote
ausdehnte. In Melk zeichnete sich eine ähnliche, wenn auch schwächer als in Gän-
sern dorf ausgeprägte Tendenz ab : Bei Abnahme von Milchverzehr und -verarbei-
tung nahm der Anteil der an Kälber verfütterten Milch zu. Während im ersten Fall
die betriebsexterne Vermarktung der unverarbeiteten Milch voranschritt, wies die
Entwicklung im zweiten und dritten Fall in Richtung betriebsinterner Verwen-
dung für die Schlachtrindermast. Freilich wurde auch in Gmünd die Kälberfüt-
terung mit Milch nicht völlig aufgegeben ; doch es verschoben sich die Gewichte
zugunsten des Verkaufs. Kurz, unterschiedliche Strategien der Milchwirtschaft –
Rohstoff- und Veredelungsproduktion
– begannen sich in und zwischen den Regi-
onen auszuprägen. Bemerkenswert dabei ist der mäßig, aber stetig fallende Anteil
der Lieferungen an Molkereien und Händler an der verkauften Milchmenge in
Gmünd ; hier gewann die direkt an Verbraucher/-innen vermarktete Milch an Be-
deutung. Dagegen schritt die Molkerei- und Handelsquote in den anderen beiden
Untersuchungsbezirken voran ; in Gän sern dorf bewegte sie sich bereits ab 1940
Abbildung 7.21 : Erzeugte Milchmenge in Niederösterreich und dem nördlichen
Burgenland 1939–1944
Quelle : eigene Berechnungen nach ÖStZA (Hg.), Ergebnisse.
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1939 1940 1941 1942 1943 1944
Gesamtheit
Gänserndorf
Gmünd
Melk
sonstige Bezirke
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937