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666 Ordnung und Chaos des Marktes
in Kleinpertholz mit 101 GE Getreide, Kartoffeln und Futterrüben und 38 GE
Milch, insgesamt 138 GE, 1944. Hier brachen das Produktionsvolumen um 18
Prozent und die Landproduktivität um 38 Prozent gegenüber 1941 ein. Anders
verhielt es sich auf dem Zuckerrübenbauern-Betrieb von Martin Holzer in Au-
ersthal : Der Ertrag von 1944 mit 313 GE Getreide, Kartoffeln sowie Futter- und
Zuckerrüben und 53 GE Milch, zusammen 366 GE, entsprach einer Zunahme des
Produktionsvolumens um 15 Prozent und der Landproduktivität um 11 Prozent
gegenüber 1941.
Die Gesamtheit der betrieblichen Entwicklungspfade verteilt sich entlang von
Produktionsvolumen (1 bis 3) und Landproduktivität (A bis C) in mehrere Berei-
che : Erhebliche Dynamik herrschte in den Bereichen Schrumpfung und Intensi-
vierung (1A), Schrumpfung und Extensivierung (1C), Wachstum und Intensivierung
(3A) sowie Wachstum und Extensivierung (3C). Darauf folgten die Bereiche Inten-
sivierung (2A) und Extensivierung bei konstantem Volumen (2C) sowie Schrumpfung
(1B) und Wachstum bei konstanter Intensität (3B). Schließlich bestand ein statischer
Bereich konstanter Entwicklung (2B). Bemerkenswert ist die Häufigkeitsvertei-
lung der Entwicklungspfade (Tabelle 7.20) : Zwar scheiterten knapp die Hälfte
der Betriebe an der Latte der „Kriegserzeugungsschlacht“, eine Extensivierung
zu vermeiden (3) ; doch gut ein Achtel (2) verzeichnete konstante Produktivität
und fast vier Zehntel (1) vermochten den Betrieb sogar zu intensivieren. Ähnlich
verteilen sich die Betriebe mit schrumpfendem (A, gut die Hälfte), konstantem
(B, gut ein Achtel) und wachsendem Gesamtvolumen (C, knapp ein Drittel). Die
Kombination der beiden Achsen erweist zwei gegensätzliche Hauptstrategien :
Produktionssenkung bei Extensivierung (1C) bei knapp vier Zehntel der Betriebe,
etwa beim Kleinbauernfamilien-Betrieb von Leopold Fürst in Auersthal und beim
Mischwirtschafter-Betrieb des Lambert Ziegler in Kleinpertholz, sowie Produkti-
onssteigerung bei Intensivierung (3A) bei einem Viertel der Betriebe, etwa beim
Zuckerrübenbauern-Betrieb von Martin Holzer in Auersthal. Daneben vollzogen
je etwas weniger als ein Zehntel der Betriebe Produktionssenkung bei steigender
(1A) oder nahezu konstanter Produktivität (1B). Diesen Befunden nach lagen Er-
folg und Misserfolg der „Kriegserzeugungsschlacht“ nahe beisammen. Entgegen
der gängigen Ansicht eines allumfassenden Produktivitäts- und Produktionsrück-
gangs belegen sie das Auseinanderdriften von Schrumpfungs- und Wachstumsbe-
trieben, das den Großteil der Betriebe umfasste.
Die Spaltung der betrieblichen Entwicklungspfade erfasste die Agrarsysteme
und korrespondierenden Wirtschaftsstile in ungleicher Weise (Abbildung 7.30).
Die Ochsenbauern zeigten eine deutliche Tendenz zur Extensivierung und damit
zum Abwirtschaften. Kleinbauernfamilien und Mischwirtschafter folgten der für die
Gesamtheit charakteristischen Spaltung, dem Umkrempeln. Die Intensivierungs-
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937