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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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672 Ordnung und Chaos des Marktes 22 Prozent abgesunken. Für die Bewertung der seit dem „Anschluss“ eingetrete- nen Ertrags- und Einkommenseinbußen müsse beachtet werden : „Im Vergleich zu Handwerk, Gewerbe und Industrie hat also die ostmärkische Landwirtschaft vor dem Umbruch eine außerordentlich starke Unterbewertung ihrer Leistungen erfahren.“206 Und weiter : „Damit ist der Bauer der schlechtest bezahlte Landar- beiter, beziehungsweise Arbeiter im Staat überhaupt.“207 Der Forderungskatalog zielte darauf ab, die bäuerliche Bevölkerung durch höhere Erträge und Einkom- men auf der Scholle zu halten : Die Preisangleichungen bei Weizen und Futter- mitteln sollten nur „nach Maßgabe der Umstellungsfähigkeit der ostmärkischen Betriebe“ erfolgen ; da die Umstellungsfähigkeit vor allem in den Berggebieten beeinträchtigt sei, müssten ausreichend Handelsfuttermittel für die Ostmark re- serviert werden ; die Ausschaltung der Transportkosten durch Zuschüsse sollte die „Gleichpreisigkeit aller Betriebsmittel und Erzeugnisse frei jeder ostmärkischen Dorfgemeinschaft“ bewirken ; eine Milchpreissteigerung um vier Reichspfennig je Liter würde die eingetretenen Barlohnsteigerungen ausgleichen ; die Ermäßigung der Grundsteuer im Zuge der Einheitsbewertung sei gerechtfertigt, weil sie un- abhängig vom Ertrag und Einkommen geleistet werden müsse ; die „Landflucht“ müsse, über zeitweilige Ernteeinsätze hinaus, durch eine „wirksame Tat“ bezwun- gen werden. Kurz, es sei unumgänglich, „den bäuerlichen Arbeitsertrag zu verbes- sern und das Vertrauen der Bauernschaft in ihre eigene Leistungsfähigkeit wieder zu festigen“.208 Löhr bezog damit einen Standpunkt, der in der agrarökonomischen Debatte im „Dritten Reich“, die mit Kriegsbeginn 1939, kurz nach Fertigstellung der Studie, aufflammte, zunehmend in Zweifel gezogen wurde. Er maß die bäuerliche „Leis- tung“ vor allem an der Bodenproduktivität : Je mehr Erträge die Scholle abwarf, umso mehr Menschen konnten darauf ein Auskommen finden. Dieser Leistungsmaßstab war Teil des Projektes der „Erzeugungsschlacht“, die jedoch nicht die erwarteten Erfolge brachte. Die Gegenposition, die Arbeitsproduktivität als Leistungsmaß- stab, vertrat das Expertennetzwerk um Konrad Meyer, den obersten Raumforscher und -planer des „Dritten Reiches“ ; diese Gruppe gewann durch die deutsche Ex- pansion in Osteuropa an Gewicht : Je mehr Erträge eine Arbeitskraft im Reichs- gebiet  – besonders in den Klein- und Bergbauernregionen  – erzielte, umso mehr Menschen standen für die Kolonisierung der „eroberten Ostgebiete“ zu Verfügung. Diese Art der Messung bäuerlicher „Leistung“ bezog sich auf das Projekt der agra- rischen „Großraumplanung“. Auf diese Weise konnten agrarökonomische und ras- senpolitische Gesichtspunkte  – „leistungsfähige“ Betriebe, bewirtschaftet von „leis- tungsfähigen“ Menschen  – zur Deckung gebracht werden.209 Die Umsetzung dieser Pläne in der Ostmark hätte eine massive Umsiedelung der bäuerlichen Bevölkerung aus den Realteilungsgebieten im Osten und Westen des Landes sowie aus dem
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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