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682 Ordnung und Chaos des Marktes
der Aufwand in fast allen Betriebsformen zwischen 1938/39 und 1939/40 eine
Zunahme (Tabelle 7.26). Dafür war vor allem die Steigerung des Sachaufwandes
durch den vermehrten Einsatz organisch- und mechanisch-technischer Mittel –
Dünger- und Saatgutzukauf einerseits, Maschinenanschaffungen andererseits –
verantwortlich. Der Arbeitsaufwand nahm mit dem Ausscheiden von Familien-
arbeitskräften ab ; der gestiegene Aufwand für Fremdarbeitskräfte vermochte dies
kaum aufzuwiegen.224
Aus dem Unterschied von Rohertrag und Aufwand ergibt sich der Reinertrag,
der „Überschuß des schulden- und familienfrei gerechneten landwirtschaftlichen
Betriebes“. Die Höhe des Reinertrags steht definitionsgemäß in engem Zusam-
menhang mit der Betriebsintensität, die auch in Rohertrag und Aufwand zum
Ausdruck kommt (Tabelle 7.27). Was ihn als Erfolgsmaßstab fragwürdig erschei-
nen lässt, ist seine starke Abhängigkeit von den kalkulierten Lohnansprüchen der
Familienarbeitskräfte : Wird diese Größe nach den zwar gestiegenen, aber ver-
gleichsweise noch immer niedrigen Landarbeitslöhnen bemessen, fällt sie zwangs-
läufig hoch aus ; wird sie nach den weitaus höheren Arbeiter- und Angestelltenlöh-
nen außerhalb des Agrarsektors bemessen, nimmt sie niedrigere – bisweilen sogar
negative – Werte an. Zudem ist der Lohnanspruch der bäuerlichen Familie eine
fiktive Größe, weil er meist nicht voll realisiert, sondern überwiegend gleichsam
‚in der Wirtschaft belassen‘ wurde. Problematisch erscheint weiters die Angabe
der prozentmäßigen Verzinsung, die von der schwierigen Bemessung des landwirt-
schaftlichen Kapitals abhängt. Etwas realitätsnäher erscheint das landwirtschaft-
liche Einkommen, „jener Teil des landwirtschaftlichen Betriebsertrages, der beim
Erhalt des Anfangsvermögens zum Verbrauch verfügbar ist“. Der Einkommens-
quotient gibt an, „inwieweit das erzielte schuldenfreie Einkommen die Summe
aus Lohn und Zinsansprüchen übersteigt“. Schließlich bezeichnet das volkswirt-
schaftliche Einkommen die „Summe aus Familieneinkommen, Staatseinnahmen,
Gläubigereinkommen und Gefolgschaftseinkommen“.225 Welcher Maßstab auch
immer angelegt wird : Allesamt signalisieren sie einen Rückgang des „Betriebser-
folges“ 1938/39 und 1939/40 ; die gegenläufige Tendenz für das Alpengebiet dürfte
auf dem Wechsel der Erhebungsbetriebe beruhen. Die Pro-Kopf-Einkommen zei-
gen divergierende Entwicklungen, was vor allem auf dem Ausgleich ausgeschie-
dener Arbeitskräfte durch vermehrte Anstrengungen der verbleibenden beruhen
dürfte.226
Um einige der erörterten Unzulänglichkeiten der Maßzahlen des „Betriebser-
folgs“ zu überwinden, ging Wilfried Kahler daran, im Zuge einer „Gesamtbilanz der
bäuerlichen Familienwirtschaft“ die Vermögensänderungen zu berechnen. Dazu
stellt er die Gesamteinkünfte – Gesamteinkommen und außerordentliche Ein-
künfte wie Erbschaften, Beihilfen und dergleichen, mithin das Potenzial der zum
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937