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691Vom
Wert der Landarbeit
tiert im Bergland um Kirchberg an der Pielach einen Kleinbetrieb, im Matzener
Flach- und Hügelland hingegen einen mittleren oder, bei entsprechendem Wein-
gartenanteil, größeren Betrieb. Anstatt der absoluten Flächenausstattung bevor-
zuge ich einen relativen, an die Eigenart des regionalen Agrarsystems angepassten
Größenmaßstab : die Drittelung in kleinere, mittlere und größere Betriebe. Auf
der Einnahmenseite der Geldbilanz zeigen sich die Schwerpunkte der Betriebs-
führung (Tabelle 7.31, Anhang). In der Region Kirchberg an der Pielach lagen
die Rinder als Fleisch- und Milchlieferanten, aber auch als lebend verkaufte Zug-
ochsen mit einem Anteil von knapp drei Vierteln unangefochten an der Spitze der
Einnahmequellen. Während mit steigender Betriebsgröße der Anteil des Kälber-
und Ochsenverkaufs wuchs, sank der Verkauf von Milch, Butter und Rahm anteils-
mäßig. Neben den Rindern brachten die Schweine etwa ein weiteres gutes Zehntel
der Einnahmen ein ; ihr Anteil verringerte sich etwas mit steigender Betriebsgröße.
Erheblich geringeres Gewicht hatten Eier-, Getreide-, Obst- und Mostverkauf.
Die Milch- und Fleischproduktion war folglich das einzige Standbein der bäu-
erlichen Markttätigkeit im Voralpenland. Auch der Waldbestand, der nur in den
größeren Betrieben nennenswerte Erträge abwarf, war wenig tragfähig und galt
eher als „Sparkasse“ für Notfälle. Während die mittleren und größeren Wirtschaf-
ten in ‚normalen Zeiten‘ damit und mit ihren landwirtschaftlichen Nebenbetrieben
das Auslangen fanden, waren die kleineren Wirtschaften auf zusätzliche Einkünfte
angewiesen, wie die mit abnehmender Betriebsgröße wachsenden Anteile außer-
agrarischen oder außerhäuslichen Erwerbs zeigen : Neben Einkünften aus Holz-
knecht-, Maurer- und Fuhrwerksarbeiten brachte die bis Mitte des 20. Jahrhun-
derts verbreitete Vermietung von Wohnräumen an städtische „Sommerfrischler“
Geld ins Haus. Wenn in Krisenzeiten wie in den 1930er Jahren die Fleisch- und
Milchpreise verfielen, knickte auch das einzige Standbein der mittleren und grö-
ßeren Betriebe ein.
Teils ähnlich, teils unterschiedlich stellte sich die Einnahmenverteilung in der
Region Litschau dar. Auch hier hatten die Rinder als Zugochsen-, Fleisch- und
Milchlieferanten mit knapp der Hälfte der Einkünfte das meiste Gewicht ; ihre
Gewichtung nach Betriebsgrößen war, abgesehen vom geringeren Stellenwert des
Rinderverkaufs in den kleineren Betrieben, ziemlich ausgeglichen. Gleichauf mit
der Milcherzeugung lag die Schweineproduktion, die ein knappes Fünftel der Ein-
nahmen erzielte ; auch hier zeigen sich nach Betriebsgrößen kaum Unterschiede.
Erheblich mehr Gewicht als in Kirchberg an der Pielach hatte in Litschau der
Verkauf von Getreide und Kartoffeln, vor allem für die mittleren und größeren Be-
triebe ; die Anteile nahmen mit steigender Betriebsgröße beträchtlich zu. Während
der Eierverkauf in allen Betriebsgrößen gleichermaßen – meist von der Klein-
häuslerin oder Bäuerin verwaltetes – Geld ins Haus brachte, kam der Holzverkauf
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937