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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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713Großbritannien und die Ostmark im Krieg tanzen ; sie machten sich mitunter auch zum Anwalt bäuerlicher Interessen, um die Legitimität gegenüber ihrer Klientel zu stärken. Im Verwaltungsalltag schwenkten die Amtsträger im Kriegsverlauf von agrarideologischen zu kriegswirtschaftlichen Prioritären um ; den Hof möglichst produktiv  – mit viel Ertrag trotz knapper Mit- tel  – zu führen, wurde zur herausragenden Tugend der „Bauern“ und „Landwirte“.70 Der Reichsnährstand konnte ‚unproduktiv‘ wirtschaftende Betriebsleiter/-innen zwar nicht selbst absetzen, dies jedoch gerichtlich beantragen. Betroffene „Bauern“ im Sinn des REG kamen vor die Erbhofgerichtsbarkeit, die über die „Wirtschafts- fähigkeit“ als Aspekt der „Bauernfähigkeit“ entschied. Die nicht erbhofrechtlich erfassten Betriebsbesitzer/-innen, die „Landwirte“, unterlagen der allgemeinen Gerichtsbarkeit. Im Fall eines befristeten oder permanenten Entzugs der Besitz- rechte auf dem Gerichtsweg übernahm meist der dem Reichsnährstand zugehö- rige Landwirtschaftliche Treuhandverband die Bewirtschaftung. Anders als die in Großbritannien durch die WAEC Enteigneten konnten im Deutschen Reich die Gemaßregelten gegen gerichtliche Enteignungen Berufung einlegen ; folglich zo- gen sich derartige Verfahren meist in die Länge. Wirkung entfalteten die gericht- lichen Enteignungen weniger durch die davon betroffene Minderheit, als durch deren abschreckende Wirkung auf die Mehrheit der Hofinhaber/-innen.71 Wie das Tätigkeitsfeld der WAEC waren auch die Kreis- und Ortsbauernschaften in persönliche Beziehungsnetzwerke verstrickt. Für Niederdonau lässt sich zeigen, dass der Gerichtssaal nicht selten als Vorderbühne eines auf der Hinterbühne lau- fenden Beziehungsdramas um das Besitzrecht am Hof diente. Dabei spielte der Reichsnährstand die Doppelrolle einer bäuerlichen Interessenvertretung sowie ei- nes zunächst agrarideologischen, dann zunehmend kriegswirtschaftlichen Kont- rollinstruments.72 Die institutionellen Regelungen des britischen und österreichischen Agrarsys- tems im Krieg auf nationalstaatlicher, regionaler und lokaler Ebene waren eng ver- woben mit den technischen Elementen des Ressourceneinsatzes und -flusses. Wie in allen Krieg führenden Ländern stand auch in Großbritannien und dem vom Deutschen Reich annektierten Österreich die Landwirtschaft mit anderen Sek- toren, vor allem Rüstungsindustrie und Militär, im verschärften Wettbewerb um Landressourcen.73 So verringerten sich die landwirtschaftlich genutzten Flächen 1939 bis 1944 in Großbritannien um 2,1 Prozent, auf vormals österreichischem Gebiet um 0,6 Prozent. Jedoch vermochte Großbritannien den Anteil der Äcker von 41 auf 62 Prozent auszudehnen, während das Gebiet Österreichs einen  – wenn auch mäßigen  – Rückgang von 43 auf 41 Prozent verzeichnete (Tabelle 8.3). Die Verschiebungen der Landnutzungsintensität waren jeweils regional ungleich ver- teilt : In England und Wales zeigten die gebirgigen Regionen im Norden, Wes- ten und Süden, die vor dem Krieg geringe Ackeranteile aufwiesen, weitaus hö-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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