Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 725 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 725 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 725 -

Bild der Seite - 725 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 725 -

725Großbritannien und die Ostmark im Krieg staats verschwammen die Unterschiede zwischen parlamentarischer Demokratie und Einparteiendiktatur. Das britische Agrarsystem zeigte etwa bei den staatli- chen Eingriffen in Landbesitzrechte autoritärere Züge als das deutsche, das  – etwa im Berufungsrecht gegen erbhofgerichtliche Urteile  – Reste demokratischer Ele- mente enthielt. Gleichwohl blieben fundamentale Systemunterschiede aufrecht : Der britische Staat folgte bei seinen Eingriffen vor allem kriegswirtschaftlichen Erfordernissen, während der NS-Staat mit agrar- und ernährungswirtschaftlichen Maßnahmen meist auch rassenpolitische Ziele verfolgte. Die von der Markt- und Preis- zur Strukturpolitik ausgreifende Durchstaatlichung  – die gesamtstaatliche Integration mittlerer und unterer Verwaltungsebenen zum Zweck der nationalen Ressourcenmobilisierung86  – des britischen und österreichischen Agrarsystems setzte auf mehrere Regulative : teils auf äußere Steuerungsinstrumente des Agrar- apparats, teils auf die Verinnerlichung einer produktivistischen Wirtschaftsmoral durch ländliche Akteure. Der Anreiz staatssubventionierter Preise in Großbritan- nien vermochte die Produktionsleistungen weitaus stärker zu heben als der staat- liche Ablieferungszwang im Deutschen Reich.87 Trotz unterschiedlicher Akzente wurde in beiden Ländern der agrarische Interventionsstaat zur Normalität ; kaum jemand stellte zu Ende des Zweiten Weltkriegs die  – etwa zu Beginn des Ersten Weltkriegs noch heftig debattierte88  – Legitimität weitreichender und tiefgreifen- der Staatseingriffe im Agrarsektor infrage. Auch die technische Ebene des britischen und österreichischen Agrarsystems zeigt eine übergreifende Gemeinsamkeit : Die durch den Krieg verknappte Verfüg- barkeit der Produktionsfaktoren Land und Arbeit induzierte in beiden Fällen den Einsatz land- und arbeitssparender Technologien, basierend auf dem Verbrauch fossiler Energieträger. Im britischen Fall äußerte sich die auf Basis des Lend- Lease-Abkommens mit den USA vervielfachte Kapitalintensität in Kombination mit dem Nutzungswandel von Grün- zu Ackerland in wachsender Bodenpro- duktivität ; hingegen nahm die Arbeitsproduktivität aufgrund der Mobilisierung zusätzlicher Landarbeitskräfte ab. Im österreichischen Fall vermochte die bis zur Kriegswende 1941/42 anhaltende, danach abebbende Technisierungswelle mangels Arbeitskräften und Betriebsmittel den Rückgang der Bodenproduktivität nicht zu verhindern ; hingegen rangierte die Arbeitsproduktivität teils durch zunehmenden Maschineneinsatz, teils durch die Kompensation fehlender Arbeitskräfte mittels Selbst- und Fremdausbeutung bis 1943 über dem Vorkriegswert. Trotz kriegsbe- dingter Engpässe belegen die beiden Vergleichsfälle einen klaren  – im britischen Fall stärker, im österreichischen Fall schwächer ausgeprägten  – Trend zur Kapital- intensivierung. Die gekoppelte Motorisierung und Chemisierung der Landbewirt- schaftung auf fossilenergetischer Basis stellte die Weichen für einen produktivisti- schen Pfad, der nach dem Krieg die Agrarentwicklung beider Länder leitete.
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder