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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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727Österreich zwischen Krise und Boom Gegen die Interessen von Industrie- und Arbeitnehmervertretern startete der 1931 zum Minister für Land- und Forstwirtschaft und 1932 zum Bundeskanzler aufgestiegene Engelbert Dollfuß, gestützt auf den niederösterreichischen Macht- block aus Bauernbund, Landwirtschaftskammer und Genossenschaftsapparat, eine Reihe von Ordnungsversuchen auf den destabilisierten, vom Preisverfall er- fassten Produktmärkten (Viehverkehrsstelle 1931, Milchausgleichsfonds 1931, Roggenpreisstabilisierung 1933 usw.). Diese Marktordnungen entsprechend dem „agrarischen Kurs“ suchten über den Außenschutz mittels Zollerhöhungen und Einfuhrkontingenten hinaus den Binnenagrarmarkt durch Preisstützungen und Mengenbeschränkungen zu stabilisieren.95 Der aus christlichsozialer Weltsicht nicht allein ökonomische Zwecke erfüllende, sondern auch außerökonomische Werte verkörpernde „Bauernstand“ sollte nicht im Strukturwandel dem krisenan- fälligen Kapitalismus angepasst  – „gesundgeschrumpft“  – werden, sondern auf dem vom internationalen Konkurrenzdruck entlasteten Binnenmarkt eine „gerechte“ Existenzbasis finden. Gleichwohl peilte der „agrarische Kurs“ keine Rückkehr zu einem vorindustriellen Agrarstaat an, sondern suchte die Bauernschaft  – weder „Stand“ im vormodernen noch „Klasse“ im modernen Sinn  – auf Augenhöhe in die Industriegesellschaft zu integrieren.96 Dieser produzentenorientierte Kurs folgte der zunehmenden Polarisierung zwischen den regierenden Christlichsozialen und ihren Koalitionspartnern auf der Rechten und der oppositionellen Sozialdemokratie als Vertreterin von Kon- sumenteninteressen auf der Linken (obgleich sich Produzenten- und Konsu- menteninteressen nicht klar trennen ließen). Die Politikkrise eskalierte 1933/34 in der Ausschaltung der parlamentarischen Demokratie, dem Zweitfrontenkrieg der Regierung Dollfuß gegen Sozialdemokraten und Nationalsozialisten sowie der Errichtung des „christlich-deutschen Ständestaats“ als „faschistisch verkleidete[s] autoritäre[s] Regime“97. Als Leitmetapher der „berufsständischen Zusammenge- hörigkeit“ im Kampf gegen die Klassenspaltung diente die patriarchalische Bauern- familie, in der Herr und Knecht aus der gemeinsamen Schüssel aßen  – so Dollfuß in seiner Trabrennplatzrede 1933. Die Berufsstände waren einerseits öffentlich- rechtliche Selbstverwaltungskörperschaften, die vormals staatliche Verwaltungs- aufgaben übernahmen ; andererseits unterlagen sie über die Besetzung der Spit- zenfunktionäre staatlicher Kontrolle. Der 1935 errichtete Berufsstand Land- und Forstwirtschaft war ein fragiler Überbau auf der Massenbasis von Bauernbund und Landwirtschaftskammern, die das Gros der Agrarbevölkerung mittels christlichso- zialer Lagerbindung98 und zwangsweiser Kammermitgliedschaft zu mobilisieren vermochten ; dementsprechend ungebrochen war die Kontinuität der Agrareliten vor und nach 1934/35.99 Der föderal organisierte Berufsstand Land- und Forst- wirtschaft war ein zahnloser Apparat, der den zentralen Durchgriff der austro-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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