Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Seite - 751 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 751 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Bild der Seite - 751 -

Bild der Seite - 751 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945

Text der Seite - 751 -

751Versuchsstation des völkischen Produktivismus gaben übernehmen ; dass der Land-, Arbeitskraft-, Kapital- und Wissenstransfer auf den Faktormärkten sowie der Absatz auf den Produktmärkten staatlich geord- net ist ; dass der (Wohlfahrts-)Staat leistungsfähigen Familienbetrieben „gerechte“ Agrarpreise für einen angemessenen Lebensstandard in Aussicht stellt ; dass sich der bäuerlich geprägte Agrarsektor strukturell an die Ansprüche der (Kriegs-) Industriegesellschaft anpassen muss, um diese ausreichend mit Nahrungsmitteln und Arbeitskräften  – einschließlich ‚Kanonenfutter‘ für den Krieg  – zu versorgen ; dass bäuerliche Hofbesitzer/-innen ihr alltägliches Wirtschaften in Betrieb und Haushalt im Sinn wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu optimieren suchen. Das „Tausendjährige Reich“ und seine Führer hatten nach sieben Jahren in der Ostmark zwar abgewirtschaftet ; doch der agrarische Interventionsstaat als Wirt- schaftsführer des ‚nationalen Hofes‘ in Krisenzeiten saß nach 1945 fester im Sattel als vor 1938  – in Österreich wie anderswo in Europa.165 Die von den Eliten und weiten Teilen der Basis der agrarisch-industriellen  – aber noch nicht industriell-agrarischen  – Wissensgesellschaft166 geteilte produk- tivistische Wirtschaftsmoral wirkte als institutionelles Erbe der NS-Ära in der Nachkriegszeit fort. Wie die Erben sich die Hinterlassenschaft der Erblasser aneigneten, zeigt etwa die Betriebsstatistik : Die niederösterreichische Landwirt- schaftskammer übernahm 1946 die Hofkarte des Reichsnährstandes als Waffe in der „Erzeugungsschlacht“ und führte sie  – unter Verschleierung von deren Her- kunft  – als Betriebskarte als Waffe im „Kampf um Absatz und Preis“ weiter.167 Der Pielachtaler Jungbauer, der seine jährlichen Eintragungen in das Heftchen Meine Hofkarte über 1945 hinaus jahrelang fortsetzte und sich schließlich der freiwilligen Buchführung für den Grünen Bericht zur Verfügung stellte, war ein prototypischer Übernehmer der betriebswirtschaftlichen Logik.168 Wie in einem Brennglas of- fenbart sich hier der Widerspruch zwischen der staatsoffiziösen Rede von einer „Stunde Null“ und dem stillschweigenden Weiterwirken von der NS-Ära geerbter Institutionen in den Wirtschaftsstilen der Akteure des Agrarsystems. Die Kartierung der österreichischen Agrarentwicklung 1938 bis 1945 dient auch der Positionsbestimmung dieser Untersuchung in der Forschungslandschaft zur Übergangsperiode der 1930er bis 1950er Jahre : Handelte es sich, wie in der Lite- ratur behauptet, um ein Nachspiel von Entwicklungen der Zwischenkriegszeit,169 um ein eher voraussetzungs- und folgenloses Zwischenspiel,170 um ein Vorspiel von Entwicklungen der Nachkriegszeit ?171 Die Ergebnisse dieser Untersuchung lassen die NS-Ära als einen Hauptakt der österreichischen Agrarentwicklung zwischen Weltwirtschaftskrise und Nachkriegsboom erscheinen  – was Vor-, Zwi- schen- und Nachspiele keineswegs ausschließt. Die Akteure der Agrargesellschaft überschritten 1938 bis 1945 eine Schwelle des produktivistischen Übergangs, von der aus es kein Zurück in die nicht-produktivistische Richtung mehr gab. Auf
zurück zum  Buch Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Schlachtfelder