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Stephanskirche Heinrich Jasomirgott, Rudolph IV. und Fried
rich III.“86
Weiter heißt es im zweiten Programmentwurf:
„[…] es entfallen noch zwei lange Bilder, welche grau in grau
gemalt darstellen, I die Römerzeit, Marc Aurels Übergang
über die Donau unweit Wien, sein Kampf gegen die Quaden
und sein Tod, II Karl der Große überwindet die Hunnawaren,
und bestimmt das besiegte Land zur Ostmark des
Reiches.“87Die
symmetrische Aufteilung in jeweils zwei
Rechts-szenen,
Bündnisszenen, Belehnungs- und
Verteidigungs-szenen
wird im Folgenden beschrieben:
Nun folgen jene acht Bilder welche die Decke im Halbbogen
mit der senkrecht stehenden Wand verbinden, […] von die
sen enthalten zwei die Funktion der nied.[er] österr.[reichi
schen] Regierung aus den bisher bestehenden Formen und
Begriffen, mithin Ferdinand I. setzt die Regierung in ihrer
jetzigen Weise ein und präsidiert den Regimentsräten das II
ist die Ausübung derselben Verrichtung in der babenbergi
schen Periode, Leopold VII. hält das Taiding in Tuln, der
Herzog sitzt den gefällten Urteilsspruch verkündend in der
Mitte seiner Räte, zwei Verbrecher werden verurteilt durch
das Stadttor abgeführt, und im Vordergrund geht eine Frau
welcher Recht zuerkannt wurde mit dankerfülltem Herzen ihre
Kinder führend, im Hintergrunde sieht man die noch ste
hende 3 Königskapelle und die Zinnen der alten Stadt
Comagene.Die
anderen zwei gleichförmigen Bilder bezeichnen die zwei
großen Dynastien, welche Österreich führten, I Leopold der
Erlauchte erhält das Lehen Österreich von Otto II. […] Als
das deutsche Heer sich aus Apulien zurückzog war der Mark
graf von Österreich gefallen, der Babenberger nimmt das
Lehen in Apulien und beruft sich auf die Verheißung Otto
des Großen zu dessen Beweis er den gebrochenen Bogen zeigt
der leidende88 Kaiser gibt ihm das Lehen und stirbt den zwei
ten Tag darauf in Rom. […] Auf dem Bilde ist der Kaiser in
frommer Erfüllung89 des vom großen Vater gegebenen Wortes
und die Krieger zujauchzend der verdienten Belehnung vor
gestellt.
Zweiter und dritter Programmentwurf
Die im zweiten und dritten Programmentwurf
angeführ-ten
Bildthemen entsprechen den ausgeführten Fresken
des Statthalterei-Zyklus, wobei die jeweiligen Herrscher
für die Porträtdarstellungen in den bogenförmigen
Fel-dern
über Türen und Fenstern erst im dritten
Programm-entwurf
festgelegt wurden. In der Beschreibung der
ein-zelnen
historischen Szenen ist wiederum der zweite
Programmentwurf wesentlich ausführlicher. In diesen
Programmentwurf wurden alle Jahreszahlen offenbar im
Nachhinein in Bleistift eingefügt, im dritten
Programm-entwurf
wurden sie bereits beim Schreiben des Textes
berücksichtigt.
Das Mittelbild, die Allegorie der Austria, wird in
bei-den
Texten ähnlich beschrieben, wobei der dritte
Pro-grammentwurf
weniger Ausbesserungen enthält und
etwas schlüssiger formuliert ist. Im zweiten
Programment-wurf
heißt es:
„Der obere Teil der Decke enthält als Mittelbild eine Allego
rie, welche von vier kleineren Gemälden umgeben ist. Im
Mittelbild ist dargestellt: Österreich im Schutze der Religion,
hält sein Heeresschild und wendet sich im Vertrauen gläubig
an die Religion, welche es schützend umschlingt und mit der
anderen Hand ihm ein Buch vorhält, in welchem man A und
das Kreuz erblickt, während auf der anderen Seite ein Genius
das Schild mit dem Lorbeer ziert. Zunächst dieser Mittel
gruppe ist die Weisheit, Gerechtigkeit, die Kraft und die
Geschichte vorgestellt, die geschichtlichen Gegenstände der
vier umgebenden kleineren Bilder stellen die in der Allegorie
ausgesprochenen Begriffe, in geschichtlichen Ereignissen
niedergelegt,
vor.“84Im
dritten Programmentwurf gibt es zwei
Abweichun-gen
dazu: die „Religion“ wird näher als „Glaube“
bezeich-net,
wodurch sich die Akzentuierung der Aussage etwas
verschiebt. Weiters wird im dritten Programmentwurf der
Knabe mit dem Lorbeerkranz nicht wie im zweiten
Pro-grammentwurf
als „Genius“, sondern als „Engel“
bezeich-net.
Im Folgenden werden die dargestellten Allegorien auf
die vier umgebenden geschichtlichen Darstellungen
bezogen:
„Die geschichtlichen Gegenstände der vier umgebenden klei
nen Bilder stellen die in der Allegorie ausgesprochenen
Begriffe in geschichtlichen Ereignissen niedergelegt dar. Der
Apostel Österreichs St. Severin85 alle Entfaltung und Blüte
Österreichs auf Grundlage christlicher Gesittung bauend,
das zweite Bild Leopold der Erlauchte bezwingt Meledik und
wirft die Ungarn bis Hainburg wo bis heute die Grenze
bestimmt blieb, die nächsten Bilder enthalten I die Gründung
der Universität durch Rudolph IV. II die drei Erbauer der 84 Programmentwurf II, siehe Anhang.
85 Ursprünglich bezeichnete Kupelwieser Severin als „ersten“ Apostel
Österreichs, strich das Wort „erster“ aber später
durch.86
Programmentwurf III, siehe Anhang.
87 Programmentwurf II, siehe Anhang.
88 Ursprünglich hieß es an dieser Stelle, der Kaiser übergibt Leopold
das Lehen „gramerfüllt“, diese Formulierung mag Kupelwieser im
Nachhinein zu negativ erschienen sein, und der Kaiser wird als
„leidend“ beschrieben.
89 Hier überarbeitet Kupelwieser die genaue Formulierung
mehr-mals:
der Kaiser erfüllt „in bescheidener Stellung“, in „demütiger
Erfüllung“ und schließlich „in frommer Erfüllung“ das Wort seines
Vaters.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306