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Kunst und Kultur
Das zusammengedrängte Gedenken
Seite - 175 -
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175 hältnisse. Sie nimmt in der Folge vorrangig Anstoß an den Darstellungen von höfischen Zeremonien, die als unzeit-gemäß und ohne inneren Sinn empfunden werden und denen deshalb keine politische Wirkkraft zuerkannt wird. „Ein Umstand indess ist dem Berichterstatter aufgefallen […] dass nemlich in ihnen nicht sowohl charakteristische ethische Momente, in denen sich das innere Leben der Zeit spiegelt, als vielmehr jenes äussere Schaugepränge der Geschichte: Belehnungen, Krönungen, kirchliche Trauungen […] vorgeführt sind.“594Ein weiterer Kernbegriff der vormärzlichen Kritik an his-torischen Wandgemälden ist die Verständlichkeit, die als Voraussetzung zur Entfaltung ihrer Wirkung begriffen wird. Dem Anspruch, sich dem Betrachter unmittelbar verständlich mitzuteilen, wurden viele öffentliche Histo-rienbilder nicht gerecht und die Inhalte mussten dem Publikum in Erläuterungsschriften dargelegt werden.595 Auch die Darstellung von Allegorien und Symbolen wird in Hinblick auf die fehlende Verständlichkeit kritisiert; Theodor Vischer bezeichnet sie in seiner Besprechung der Schinkel’schen Wandmalereien in der Vorhalle des Berliner Museums spöttisch als „theogonische Culturge­ schichte­ Räthsel und Theogonie­ Zähnezerbrechungen“.596 Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die Situation der Geschichtsmalerei in der österreichi-schen Monarchie gestaltete sich deutlich anders als in den deutschen Staaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zwar war hier wie dort die Forderung nach vaterländischer bzw. nationaler Kunst eine unmittelbare Reaktion auf die napoleonischen Kriege; Bedingungen, Inhalte und Pers-pektiven unterschieden sich indessen bedeutend und waren teilweise diametral entgegengesetzt.1804, im selben Jahr, in dem der letzte römisch-deut-sche Kaiser Franz I. das österreichische Kaiserreich pro-klamierte, erschien die Ballade Rudolf von Habsburg und der Priester, in der Schiller eine vom Schweizer Chronisten „[…] so ganz eignet sie sich durch ihre Zeit und Wetter verachtende Dauerhaftigkeit, der Oeffentlichkeit zu dienen, und hierdurch möglichst ausgebreitet auf Erweckung des Kunstgefühles im Volk hinzuwirken.“589Die Verantwortung, die der Wandmalerei durch den Anspruch auf Beförderung des Nationalbewusstseins und politische Ausbildung erwuchs, legte die zu behandeln-den Sujets auf Stoffe aus der Geschichte fest: „Und doch ist der eigentliche Farbentopf des Fresko die Geschichte. Wie diese ist es auf festem Grunde ruhend, die Zeiten überdauernd, jedes Glanzfirnisses entbehrend, durch große Massen imposant, ohne kleine und ängstliche Aus­ schmückung, von derber Kraft. Nur dieses hat es noch der Geschichte voraus, daß es nicht gleich ihr erst durch Ver­ stand und Gedächtniß den Weg zum Herzen suchen muß, sondern mit einemmale mit lebendigen Gestalten lebendig in die Seele tritt.“590 Dabei zeichnet sich bald jener, im berühmten Brief Cor-nelius’ an Görres bereits formulierte und später zum all-gemeinen Konsens gewordene antifeudale Grundton ab, der von der neuen Kunst gefordert wird. „Nicht zum blosen Spielwerk und dem Kitzel für die Sinne soll die Kunst mehr angewendet werden; nicht blos zur Ergöt­ zung und Prachtliebe geehrter Fürsten oder schätzenswerther Privatpersonen: sondern hauptsächlich zur Verherrlichung eines öffentlichen Lebens […]“591,schreibt Johann David Passavant 1820 in Rom. Das Bür-gertum hatte in den allerorts gegründeten Kunstvereinen ein Instrument, Kunst zu fördern und selbst öffentliche Kunstwerke in Auftrag zu geben – allerdings nur in bescheidenem Rahmen. Aufträge zur Gestaltung öffent-licher Bauten im großen Stil waren nur mit Hilfe feudaler Mächte wie dem neoabsolutistischen Herrscher Ludwig I. in München möglich. Mit seiner Denkmalpolitik und sei-ner Vorliebe für Freskomalerei beanspruchte König Lud-wig dabei dieselben Medien wie das Bürgertum, jedoch mit umgekehrten politischen Vorzeichen. Nachdem König Ludwig in den meisten Fällen auch als Financier auftrat, bestimmte er formale und inhaltliche Aspekte eines Kunstwerks bis hin zur Technik, in der es ausgeführt werden sollte, wie etwa im Falle der Fassaden der Neuen Pinakothek, die Kaulbach als Fresko malen musste, obwohl die Untergründe für die Stereochromie schon vorbereitet waren.592 Die Auseinandersetzungen zwischen König Ludwig und Julius Schnorr von Carolsfeld um die Themen der Bilder in den Kaisersälen hat Sabine Fastert eingehend beschrieben.593 Die Kritik erkennt das Wandbild als Feld der Ausein-andersetzung zwischen bürgerlichen und höfisch-staat-lichen Positionen und als Indikator politischer Machtver- 589 Hormayr (1830) in: Inland 1830, Nr. 167/8, p. 683. 590 Ebd. p. 834.591 Passavant (1820) p. 78.592 Schiessl (1985) p. 160.593 Fastert (2000) p. 290 – 296.594 Kugler, F.: Ein Besuch in München. In: Kugler Schriften III, p. 130. Zit. nach: Droste (1980) p. 125.595 Vgl.: Hormayr (1830). 596 Vischer (1846) p. 100.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Das zusammengedrängte Gedenken
Autor
Sigrid Eyb-Green
Verlag
Bibliothek der Provinz
Ort
Weitra
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-99028-075-1
Abmessungen
24.0 x 27.0 cm
Seiten
312
Schlagwörter
Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 13
  2. Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
  3. Die Genese des Bildprogramms 19
  4. Erster Programmentwurf 19
  5. Der zweite Gesamtentwurf 35
  6. Zweiter und dritter Programmentwurf 39
  7. Die Aquarellentwürfe 40
  8. Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
  9. Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
  10. Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
  11. Die gekrönte Austria 47
  12. Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
  13. LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
  14. Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
  15. Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
  16. Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
  17. Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
  18. Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
  19. Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
  20. Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
  21. Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
  22. Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
  23. Die Aufgebote von 1797 125
  24. Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
  25. Der Kongress zu Wien 1814 137
  26. Einleitungzu den Herrscherporträts 143
  27. Rudolf I 144
  28. MariaTheresia 148
  29. Maximilian I 151
  30. Joseph II 154
  31. Albrecht II 156
  32. Ferdinand II 158
  33. Ferdinand I. der Gütige 161
  34. Franz Joseph I 164
  35. Rezensionen 166
  36. Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
  37. Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
  38. Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
  39. Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
  40. Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
  41. Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
  42. Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
  43. Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
  44. Zur Herstellung der Kartons 220
  45. Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
  46. Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
  47. Die Kartons zu den Allegorien 225
  48. Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
  49. Die Kartons zu den beiden Friesen 234
  50. Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
  51. Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
  52. Übergabe aller Kartons 249
  53. Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
  54. Ausstellungen der Kartons 252
  55. Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
  56. Die Papierbahn 257
  57. Die Zeichnung 260
  58. Die Fixierung 263
  59. Die Übertragung an die Wand 265
  60. Die Fresko-Probetafeln 267
  61. Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
  62. Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
  63. Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
  64. Transparentpapiere 276
  65. Papiere für die Kartons 279
  66. Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
  67. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
  68. Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
  69. Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
  70. Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
  71. Literaturverzeichnis 301
  72. Quellenverzeichnis 305
  73. Personenregister 306
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