Seite - 45 - in Das zusammengedrängte Gedenken
Bild der Seite - 45 -
Text der Seite - 45 -
45
Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen
Leopold Kupelwiesers
Sabine Fastert stellt in ihrer Arbeit über die
Wand-gemälde
von Julius Schnorr von Carolsfeld in den
Kaisersälen der Münchner Residenz ausführlich die
Geschichts- und Quellenstudien Schnorrs zu den
ein-zelnen
geschichtlichen Darstellungen vor.117 Anders als
Julius Schnorr von Carolsfeld, führte Leopold
Kupelwie-ser
kein Arbeitsjournal und es haben sich keine Exzerpte
geschichtlicher Werke erhalten; in der Folge können zu
der Literatur und den bildlichen Quellen, die
Kupelwie-ser
im Zuge seiner Vorbereitungsarbeiten studiert hat,
nur Vermutungen angestellt werden.
Kupelwieser scheint grundsätzlich großes Interesse
an Geschichte gehabt zu
haben:„Kupelwieser’s
Bildung war äußerst vielseitig. Kein Gebiet
der Wissenschaft war ihm vollkommen fremd, mit besonderer
Vorliebe aber befasste er sich mit Geschichte […]“,
schreibt seine Tochter Elisabeth in ihren
Erinnerun-gen.118
Diese Beobachtung wird auch von zahlreichen
geschichtlichen Werken, die im Nachlass in der
Katego-rie
Kupferstiche und Lithografien verzeichnet sind,
bestä-tigt:
Es finden sich hier unter anderem mehrere Hefte
des Altertum-Vereins119, zehn Hefte Das alte Wien, ein
Stammbaum des Hauses Habsburg120 und auch fünf Bände
mit dem Titel Costumes, eine Abhandlung über
Kostüm-kunde.121Eines
der wahrscheinlich wichtigsten Geschichtswerke,
deren sich Kupelwieser bei der Vorbereitung seiner
geschichtlichen Darstellungen bediente, war Ziskas 1847
erschienenes Werk Geschichte der Stadt Wien, das von
Künstlern aus Kupelwiesers Bekanntenkreis wie Ludwig
Schnorr von Carolsfeld, Peter Johann Nepomuk Geiger und
anderen Historienmalern mit zahlreichen Illustrationen
zeugungskraft verliehen werden sollte. So gelang es
Kupelwieser, noch einmal eine Synthese aus den sich
bekämpfenden und auseinanderentwickelnden
Auffas-sungen
in der Geschichtsmalerei herzustellen. Ideale,
nazarenische und historistisch-realistische Konzeption
werden dem Bildinhalt und dem jeweiligen Kontext
gemäß innerhalb des Zyklus eingesetzt und verbinden
sich so zu einer komplexen und vielschichtigen
Interpre-tation
von Geschichte. Trotz seines Bemühens, den
Erkenntnissen der modernen Geschichtswissenschaft in
seinen Darstellungen gerecht zu werden, bekennt sich
Kupelwieser zu seinem Glauben an höhere ordnende
Prinzipien, welche „diese Realität an ein Ideal
binden“.115Verglichen
mit zeitgleich entstandenen
geschichtli-chen
Zyklen wie etwa den Aachener Karlsfresken von
Alfred Rethel oder den Kaisersälen der Münchner
Resi-denz
von Julius Schnorr von Carolsfeld zeigte Leopold
Kupelwieser weniger heroische Taten und Siege als
Grundmuster einer glorreichen Vergangenheit, sondern
Leistungen auf dem Gebiet der Staatspolitik (Wiener
Kongress) und der Gesetzgebung (Gerichtsszene in Tulln,
Schaffung von Rechtsgrundlagen mit dem Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch, Einsetzung der
niederösterrei-chischen
Regierung), der Religion, der Kultur und der
Wissenschaften.
Kupelwiesers Programm befindet sich in einem
Span-nungsfeld
zwischen Rückprojektion von Sehnsüchten in
eine ideal konstruierte Vergangenheit und einem
Bekenntnis zur Gegenwart, zwischen den Ideen des
gott-gegebenen
Kaisertums und der modernen bürgerlichen
Mitbestimmung. Die sich daraus ergebenden inhaltlichen
und formalen Brüche zwischen zeitlosen, an Raffael
ori-entierten
Figuren, barock-allegorischen Verweisen und
historistischen Ansprüchen der geschichtlichen
Wahr-scheinlichkeit
werden durch die Grundidee, dargestellt
durch die zentrale Allegorie der Austria, umgeben von
Geschichte, Gerechtigkeit, Kraft und Weisheit,
miteinan-der
verklammert. In der Synthese aller Bildfelder soll der
Hauptgedanke hervortreten, „dass in Österreich zu allen
Zeiten jede Regenten
Tugend in ihrer schönsten Entfaltung
durch den Herrscher geübt
wurde.“116Abschließend
sei noch bemerkt, dass
bezeichnender-weise
gerade 1951 eine Ausstellung des für den Anlass
restaurierten Freskenzyklus zusammen mit den ebenfalls
restaurierten Kartons stattfand. Restaurierung ist in
die-sem
Fall im doppelten Wortsinn zu verstehen: als
materi-elle
und ideelle Vergegenwärtigung in einer Phase der
Standortbestimmung, in der durch Rückgriffe und
Pro-jektionen
auf vertraute Muster einer weiter
zurückliegen-den
Vergangenheit versichernde Kontinuitäten über den
erfolgten Bruch hinaus geschaffen wurden. 115 Feuchtmüller (1970) p.
131.116
Programmentwurf I, siehe Anhang.
117 Vor allem im Falle der Karlsfresken kann gut rekonstruiert werden,
welche Literatur Schnorr im Zuge seiner Vorbereitungsarbeiten
studiert hat, denn in Dresden hat sich sein eigenhändiges, sehr
umfangreiches „Verzeichnis der Gegenstände für den Saal Carls des
Großen mit Andeutungen für die Art ihrer Auffassung und kurzen Aus
zügen aus Luden, Ideler, Schaumann, Pertz, Ellendorf etc“ erhalten.
Vgl.: Fastert (2000) p. 214 –
225.118
Kupelwieser (1902) p.
16.119
Die Mitteilungen des Altertums Vereins zu Wien erschienen ab
1853.120
Möglicherweise handelt es sich um Primissers Stammbaum des
allerdurchlauchtigsten Hauses Habsburg […] nach den in der k. k.
Ambraser Sammlung befindlichen […] Originalgemählden, der 1821
in Wien
erschien.121
Feuchtmüller (1970) p. 213.
zurück zum
Buch Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306