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Einleitung
1847 wurde der niederösterreichische Künstler Leopold
Kupelwieser (1796–1862) damit beauftragt, den großen
Sitzungssaal im neuen Gebäude der
Niederösterreichi-schen
Statthalterei mit einem Freskenzyklus zur
Öster-reichischen
Geschichte auszuschmücken. Während in
Deutschland zu dieser Zeit bereits mehrere bedeutende
Geschichtszyklen realisiert worden waren, stellte dieses
Unternehmen in der österreichischen Monarchie das
erste umfassende künstlerische Projekt dieser Art dar.
Kupelwieser entwarf selbst das Programm für die
insge-samt
23 Bildfelder und legte dabei eine zeitliche Achse
von der Römerzeit bis in das frühe 19. Jahrhundert,
wäh-rend
er die Geschichte des Habsburgerreichs in
histori-schen
Ereignissen verdichtete, die in unmittelbarem
Bezug zu den Kernländern Niederösterreich und Wien
stehen.
Dieses außergewöhnliche Werk, an dem Kupelwieser
fast drei Jahre arbeitete, erhielt – im Gegensatz zu den in
Deutschland entstandenen Geschichtszyklen – schon bei
der Fertigstellung nur wenig Aufmerksamkeit; nicht
zuletzt weil der Zenit der monumentalen
Geschichtsma-lerei1
bereits überschritten und der Zyklus im Übrigen zu
keiner Zeit öffentlich zugänglich war. Auch die
Kunstwis-senschaft
befasste sich mit dem Werk eher am Rande, vor
allem in Zusammenhang mit der sich ab etwa 1820
ent-wickelnden
„Vaterländischen Malerei“. Im Folgenden sei
ein kurzer Überblick über die vorhandene Literatur mit
ihren unterschiedlichen methodischen Ansätzen,
diver-sen
Fokussierungen sowie teils widersprüchlichen
Inter-pretationen
gegeben:Rupert
Feuchtmüller behandelt den Freskenzyklus
bereits in seinem Beitrag in den Kulturberichten aus
Niederösterreich anlässlich einer Ausstellung zu dessen
100-jährigem Bestehen im November 1950
(Feucht-müller
1950, p. 41ff.). Der Text beschreibt hauptsächlich
die einzelnen Bildfelder und geht auch kurz auf die
Kar-tons
zu den Wand- und Deckengemälden ein. In seiner
1970 erschienenen Kupelwieser-Monographie Leopold
Kupelwieser und die Kunst der österreichischen Spät
romantik führt Feuchtmüller dann einerseits die
persön-lichen
Lebensumstände des Künstlers während seiner
Arbeit in der Statthalterei aus, die von den Wirrnissen
des Revolutionsjahres 1848 geprägt waren
(Feucht-müller
1970, p. 59), andererseits stellt er den
Fresken-zyklus
in den Kontext nazarenischer Kunst, vor allem in
Zusammenhang mit den Fresken im Casino Massimo,
und fügt eine kurze Deutung des Dekorationsschemas
an, die im Wesentlichen auf dem Erläuterungstext zu der Stichfolge von ca. 18502 beruht (Feucht müller 1970,
p. 130f.).Drei
Jahre später widmet Eckart Vancsa Kupelwiesers
Freskenzyklus ein Kapitel in seiner Dissertation Aspekte
der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts in Wien (Vancsa
1973, p. 154ff.). Auch er stellt Bezüge zu den
nazareni-schen
Fresken im Casino Massimo her, erweitert aber das
Vergleichsspektrum auf „nachnazarenische“ Malerei und
ideale Geschichtsmalerei, insbesondere finden die
Münchner Hofarkadenfresken von Peter Cornelius und
die Karlsfresken von Alfred Rethel in Aachen Erwähnung.
Weiters beschäftigt sich Vancsa eingehender und
kriti-scher
als Feuchtmüller vor ihm mit dem Programm des
Freskenzyklus und widerspricht dabei vor allem im
Zusammenhang mit der Zuordnung einzelner
histori-scher
Szenen zu allegorischen Figuren im zentralen
Deckengemälde Feuchtmüllers Interpretation.
Einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit
Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus stellen Silvia Petrins
Aufsätze Leopold Kupelwiesers Allegorien und „Aus dem
unerschöpflichen Born der österreichischen Geschichte…“
in den NÖ Kulturberichten bzw. im Jahrbuch für
Landes-kunde
von Niederösterreich dar (Petrin 1993, p. 10f. und
Petrin 1996, p. 529ff.). Die Autorin veröffentlicht hier
erstmals Auszüge aus den drei von Kupelwieser
hand-schriftlich
verfassten Programm entwürfen, die bis dahin
völlig unbekannt waren und erst 1993 bei einer Auktion
des Wiener Dorotheums vom Niederösterreichischen
Landesarchiv erworben wurden. In ihrem 1996
erschie-nenen
Aufsatz geht Petrin auch ausführlicher auf die
Umstände und die Genese der Auftragerteilung ein,
erör-tert
Aufgaben der daran beteiligten österreichischen
Zentralverwaltungseinheiten und beleuchtet die Rolle
direkt involvierter Personen wie Freiherr Kübeck von
Kübau oder Freiherr von Münch-Bellinghausen. In der
Folge zitiert die Autorin Ausschnitte aus den
Programm-entwürfen
und bringt diese auch verschiedentlich mit
einzelnen Skizzen und Entwürfen zu den
unterschied-lichen
Bildthemen in Verbindung. Als besonders
ver-dienstvoll
müssen an dieser Stelle die historische
Kommentierung von Kupelwiesers Texten sowie die his-
1 Im Folgenden wird der Begriff „Geschichtsmalerei“ bevorzugt, um
die geschichtlich orientierte Historienmalerei des 19. Jahrhunderts
von der allgemeinen Kunstgattung der „Historienmalerei“, die in
der Renaissance ihren Ursprung hat, abzugrenzen. Dazu: Fastert
(2000) p.
9.2
Erläuterungstext zur Stichfolge: Die Al Fresco Malereien im Saale der k. k.
Statthalterei zu Wien, ausgeführt von Kupelwieser. Wien, o.J. (um 1850)
o.S.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306