Seite - 166 - in Das zusammengedrängte Gedenken
Bild der Seite - 166 -
Text der Seite - 166 -
166 und keine von den Rücksichten verletzt erscheint, welche die
geschichtliche Wahrheit von Gemälden der Art fordert. Es
ist sehr zu wünschen, dass Kuppelwieser mit ähnlichen Auf
gaben betraut würde, da er zu den wenigen Künstlern gehört,
die auf dem Gebiete der Freskomalerei den Verstand wie das
Auge in gleicher Weise zu befriedigen verstehen.“ 546
Die Beilage zum Morgenblatt der Wiener Zeitung widmete
dem Freskenzyklus am 22. März 1851 eine über zwei
Seiten lange, ausführliche Besprechung. Sie beginnt mit
einem Hinweis darauf, dass die Arbeiten fast unbemerkt
vor sich gegangen seien und der Zyklus auch nach der
Fertigstellung fast keine Beachtung gefunden habe:
„[…] gehen wir an die Besprechung einer Kunstschöpfung,
die, nicht unähnlich dem süßen Geheimniß der verschlosse
nen Bienenzelle, in unserer Mitte entstanden und ohne
geringstes Aufsehen der Vollendung entgegengereift. Ja so
still und unbelauscht war das Schaffen des fleißigen Künst
lers, daß nicht einmal ein großer Theil der ihn täglich
geschäftig umschwirrenden Welt zu ahnen schien, was in
ihrer unmittelbaren Nähe vorging. Sonderbarerweise wußten
uns nämlich selbst Leute, die durch dienstliche Verrichtungen
auf Ortskenntniß angewiesen sind, kaum einen Bescheid zu
geben, ,wo Kupelwieser seine Fresken male?‘ obgleich dies
dicht über ihren Köpfen
geschah.“Es
folgen ausführliche Beschreibungen des
Bildpro-gramms
sowie der einzelnen Gemälde. Am Ende der
Besprechung findet sich eine wortreiche Erläuterung der
Stellung von Freskomalerei in Österreich.
Das Programm und die einzelnen Darstellungen des
Fres-kenzyklus
waren so komplex und durchdacht, dass der
Inhalt ohne genaue Erläuterungen wohl auch gebildeten
Zeitgenossen nicht unmittelbar zugänglich war. Von
Kupel-wiesers
Wand- und Deckengemälden wurde deshalb bereits
kurz nach der Fertigstellung des Freskenzyklus eine Serie
von 14 Radierungen mit einer drei Druckseiten
umfassen-den
Erläuterungsschrift in der Druckerei von Keck und
Pierer unter dem Titel Die Al Fresco Malereien im Saale der
k.k. Statthalterei zu Wien, ausgeführt von Kupelwieser
pub-liziert.547
Der hier vorliegende Text steht Kupelwiesers
zweitem und drittem Programmentwurf stellenweise sehr
nahe, in der Einleitung wird Kübecks Beteiligung an der
Programmgestaltung noch betont. Für die Serie der 14
Radierungen dienten vermutlich die Kartons als Vorlage.
Rezensionen
Eine Rezension des Freskenzyklus erfolgte noch vor
des-sen
Fertigstellung Anfang März 1850 im Deutschen Kunst
blatt. Obwohl die Freskomalerei im Allgemeinen als nicht
mehr zeitgemäß empfunden wurde und die idealistische
Auffassung der Künstler des ehemaligen
Nazarener-Krei-ses
als Trennung des sinnlichen Elements der Kunst vom
geistigen kritisiert wurde, fand Kupelwiesers
Fresken-zyklus
hier doch aufgrund seiner realistischen,
maleri-schen
Auffassung positive Aufnahme:
„Wien, 18. Febr. Unter den wenigen Kunstwerken, welche in
diesem Momente entstehen, nehmen die Fresken des Prof.
Kuppelwieser [sic!], die derselbe in dem sogenannten neuen
Regierungsgebäude malt, eine nicht unbedeutende Stelle ein.
Obwohl wir gestehen, dass wir nicht zu jenen gehören, wel
cher dieser Art Malerei einen Vorzug vor der Staffelmalerei
einräumen, obwohl wir der Ansicht sind, dass jene Richtung,
ausschliesslich oder vorzugsweise gepflegt, zu einer Art von
Dekorationsmalerei geführt hat und führen muss, die am
Ende – wie es bei einem vielgerühmten Meister der Gegen
wart geschehen ist – das sinnliche Element der Kunst von
dem geistigen getrennt, und eben dadurch ein theosophisch
spekulatives Moment in die Kunst eingeführt hat, so hat bei
uns, wo man die Freskomalerei auch dort nicht anwenden
wollte, wo die Sache es forderte, die Leistung Kuppelwiesers
ihre Bedeutung. Kuppelwieser gehört zu jenen Künstlern, die
unter der tüchtigen Schule Fügers und Abels aufwuchsen, und
im Besitze einer künstlerischen Technik geblieben sind, die
in manchen neueren Schulen unter dem Einflusse einer
hypergeistreichen Conturenmanier fast ganz verschwunden
ist. In dieser Richtung wurde K. auch durch den Sinn des
hiesigen Volkes erhalten, dass zwischen Malen und Coloriren
noch einen Unterschied zu machen versteht. Die Idee zu den
Fresken im Saale des niederösterreichischen Regierungsge
bäudes, eines Gebäudes, das in jeder Beziehung als Prototyp
des alten Bureaubaustyles gelten kann, ist in der letzten Zeit
des alten Regimes entstanden, und der Gedankengang, den
Sie aus der nachfolgenden kurzen Beschreibung entnehmen
werden, entspricht ganz der Zeit der Entstehung und der
Bestimmung des Gebäudes. In diesem Saale sollten sich die
nieder österreichischen Regierungsräthe zu Berathungen ver
sammeln, und so war es ganz natürlich, dass der Künstler
jene Momente aus der Geschichte hervorhob, die die Haupt
epochen charakterisiren, und mit den wichtigeren Ereignis
sen zusammentreffen, welche das Schicksal Nieder Öster
reichs mit dem der Monarchie vereinen. [Es folgt ein
kursorischer Überblick über die einzelnen Fresko Gemälde,
Anm.] Es würde weitab von dem Zwecke dieser Blätter liegen,
wollte ich eine detaillirte Beschreibung jedes einzelnen der
Gemälde geben. So viel aber dürfte der Mittheilung werth
sein, dass das Detail mit grosser Sorgfalt und Treue gegeben, 546 Deutsches Kunstblatt (red. von F. Eggers), Nr. 9, 4. März 1850,
p.
70f.547
Die al Fresco Malereien im Saale der k. k. Statthalterei zu Wien, aus
geführt von Kupelwieser. Wien, Verlag Keck und Pierer, o. J., um
1851. Bibliothek der Akademie der bildenden Künste Wien, Inv.
Nr. 1777 C. Die Firma Keck und Pierer wurde 1849 gegründet
und bestand bis 1862. Vgl.: Petrin (1996) p. 553, Anm. 60.
zurück zum
Buch Das zusammengedrängte Gedenken"
Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306