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mit den einzelnen Objektbiographien, die aus
schrift-lichen
Quellen nicht ausreichend zu erschließen waren.
Vielfach ergänzen sie die Rezensionsgeschichte des Zyklus
bzw. reflektieren sie die Kunst- und Geschichtsauffassung
der jeweiligen Überarbeitungsphase. In der
Gegenüber-stellung
mit Vorgehen und Methode von Vertretern des
Nazarener-Kreises und der frühen Geschichtsmalerei in
Deutschland konnten nicht nur Wechselbeziehungen
inhaltlicher Natur in Bezug auf künstlerische
Auffas-sungen,
Bildgestaltung und Motivwahl, sondern auch
ein reger Austausch von technologischem Wissen und
handwerklichen Techniken festgestellt werden. Diese
Beobachtungen bereichern den Wissensstand zu Genese
historischer Monumentalmalerei und Praktiken der
Fresko malerei in Österreich und Deutschland in der
ers-ten
Hälfte des 19. Jahrhunderts um wichtige Aspekte.
Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen
Statthalterei und der Entstehungsgeschichte der
künstlerischen Ausstattung des Marmorsaals
Der Sitz der niederösterreichischen Regierung war seit
dem Jahr 1510 ständig in Wien, allerdings wechselte das
Amtsgebäude der Regierung mehrere Male. Seit der
Regierungszeit Josephs II. waren die unterschiedlichen
Departements in verschiedenen Gebäuden
unterge-bracht
und mit zunehmendem Raummangel konfrontiert.
Ab 1843 bemühte sich der damalige Regierungspräsident
Johann Adam Talatzko3 daher um die Bewilligung eines
Neubaues für die niederösterreichische Regierung. Der
Präsident der allgemeinen Hofkammer, Karl Friedrich
Freiherr von Kübeck4, forderte am 14. Dezember 1843 das
niederösterreichische Regierungspräsidium auf, einen
Architekturwettbewerb zur Gestaltung des neuen
Gebäu-des
der Niederösterreichischen Statthalterei auf dem
Grund des ehemaligen k. k. Dicasteralgebäudes5
(Nieder-länder-Haus)
in der Wiener Herrengasse auszuschreiben.
Mehrere Architekten, darunter Ludwig Förster, August
von Siccardsburg und Eduard van der Nüll, reichten ihre
Entwürfe ein, die allerdings nicht die Zustimmung der
wiesers Geschichts konzeption. Sein durch Verfahren von
Sakralisierung und Projektion konstruiertes Bild der
Ver-gangenheit
und der damit eng verbundene Entwurf einer
österreichischen Identität wurden dabei in den Kontext
der von beginnendem Nationalismus und
Neoabsolutis-mus
geprägten Epoche der österreichischen Monarchie
gebracht. Durch die Einbeziehung von Kupelwiesers
sozia lem Umfeld, seiner freundschaftlichen und
beruf-lichen
Verbindungen konnte die Beschreibung der
Ent-wicklung
des Freskenprogramms um wesentliche, diese
Arbeit anregende und prägende Faktoren ergänzt werden.
Darüber hinaus sollten anhand des Freskenzyklus
grund-sätzliche
Entwicklungslinien in der österreichischen
Geschichtsmalerei skizziert und wechselseitige Einflüsse
von Literatur, Theater, Geschichtsforschung und Politik
untersucht werden.
Der kunsttechnologische Zugang zu diesem Material
erwies sich als besonders lohnend, denn vor allem in
Bezug auf die Kartonkunst der Nazarener und ihre
Kon-zeption
einer idealen Freskomalerei ergeben sich enge
Verschränkungen materieller wie konzeptueller und
pro-grammatischer
Aspekte, die in der Auseinandersetzung
mit Kupelwiesers Geschichtszyklus und seinen Kartons
wesentliche Impulse darstellten. Gerade an den
Brenn-punkten
Karton und Freskotechnik manifestieren sich die
komplexen wechselseitigen Bedingungen von
künstleri-scher
Technik und inhaltlicher Aussage und vermittelt
sich Material als Bedeutungsträger besonders artikuliert.
Dementsprechend sucht die vorliegende Arbeit auch über
eine Beschreibung der Materialien und ihrer Art der
Ver-arbeitung
und Verwendung sowie über die Interpretation
von Herstellungs- und Gebrauchsspuren Zugang zu
Kupelwiesers Werkprozess und eröffnet einen
unmittelba-ren
Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers. So konnten
beispielsweise durch eine Zusammenschau von
Beobach-tungen
zu Qualität und Vorbehandlung von Papieren, zur
Art der Werkvorbereitung bzw. Anzahl der Vorstudien, der
Konstruktionselemente und Pentimenti, sowie zu
Detail-reichtum
und Genauigkeit der Ausführung von
Zeichnun-gen
Aussagen über Intention und Stellenwert von Kartons
getroffen werden. Schriftliche Quellen wie Verträge,
Rech-nungen,
Bestellungen, Briefe und Erinnerungen von
Zeit-genossen
wurden in Hinblick auf Kupelwiesers
künstleri-sche
Praxis ausgewertet und anhand von Beobachtungen
und Untersuchungen an Skizzen, Studien,
Kartonzeich-nungen
und Fresko-Probetafeln überprüft und ergänzt.
Als unentbehrliches und verlässliches Instrumentarium
erwies sich die Erfassung kunsttechnologischer
Informa-tionen
– etwa zur Herstellung der Papierbahnen, zur
Grundierung, zu den gemalten Zierrahmen und der
Kaschierung sowie zu Gebrauchsspuren – in der
Rekons-truktion
des Werkprozesses und der Auseinandersetzung 3 Johann Adam Talatzko Freiherr von Gestieticz (1778 – 1858), von
1830 – 1848 Präsident der niederösterreichischen Regierung. Vgl.:
Starzer (1897) p.
384.4
Karl Friedrich Freiherr von Kübeck (1780 – 1855), seit 1840 als
Präsident der allgemeinen Hofkammer in einer hohen Position der
österreichischen Zentralverwaltung. Zu seinen Agenden gehörte
die Aufsicht über öffentliche Gebäude (Dicasteral-Gebäude); damit
war er die letzte Instanz, die über den Neubau eines Gebäudes für
die niederösterreichische Regierung zu entscheiden hatte. Vgl.:
Petrin (1996) p. 530, Anm.
3.5
Das Dicasteral-Gebäude wurde 1845 demoliert. Vgl.: Cerny (1967)
p. 88.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306