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Element wird das Geschehen nur vom oberen und
unte-ren
Bildrand, nicht aber von den seitlichen Rändern
begrenzt; so wird das Schlachtfeld theoretisch nach
bei-den
Seiten hin fortsetzbar.
Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren291
Erläuterungstext: „Im zweiten Längsfelde ist der Zug Karls
des Großen gegen die Hunno Awaren dargestellt, welchem
Zuge die Ostmark ihre Gründung verdankte.“
Der Fries zeigt die Eroberung einer awarischen
Befesti-gungsanlage292
während eines der Feldzüge Karls des
Großen gegen die Awaren.293 Die Figuren sind
bildparal-lel
angeordnet und in Profilansicht dargestellt. In der
Mitte des Bildes befindet sich Karl der Große zu Pferd,
mit wehendem Mantel und gezücktem Schwert, auf dem
Haupt trägt er die römische Kaiserkrone. Neben ihm
reitet ein Mönch, der mit beiden Händen ein Kreuz
hochhält. Unmittelbar vor und hinter Karl sind seine
berittenen Soldaten dargestellt, welche Speere gegen die
fliehenden Feinde schleudern. Einige Awaren wehren den
Angriff noch mit Pfeil und Bogen ab, die meisten aber
flüchten oder stürzen über Palisaden. Am linken Bildrand
ziehen weitere Soldaten Karls des Großen zu Fuß, Hörner
blasend und eine Fahne schwenkend, hinter dem Zug
der Reiter her. Der Verlauf der Feldzüge wird durch die
Verteilung der Krieger im Bild, in dem die fränkischen
Reiter Karls fast die gesamte Fläche beanspruchen
und die awarischen Krieger buchstäblich an den rechten
Bildrand drängen, vorweggenommen. Als Verweis ist
auch die formelhaft verknappte Gegenüberstellung der
beiden Krieger rechts im Bild zu lesen, in der die
Unter-legenheit
der Awaren durch einen, von einem fränkischen
Speer durchbohrten Reiter versinnbildlicht wird, dessen
Pferd, ebenfalls von einem Speer getroffen, in die Knie
sinkt.In seiner Komposition bezieht sich Leopold
Kupelwie-ser,
wie in dem Marc-Aurel-Fries, auf das umlaufende
Reliefband einer römisch-antiken Kaisersäule. Formal
wird dies durch das Querformat mit extremer
Breitener-streckung
und die Grisaille-Technik, die ein Tonrelief
imitiert, deutlich. Durch das stark betonte horizontale
Abb. 122: „Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren“; Fresko;
Marmorsaal (Gebäude der Niederösterreichischen Statthalterei).
Abb. 123: Detail aus dem zweiten Gesamtentwurf für die Wand-
und Decken gemälde: Bildfeld „Öst. für Deutschland erworben
von Karl dem Grossen 800“; Bleistift, geripptes Papier, gesamt
418 x 569 mm; Nö. Landesmuseum, Inv. Nr. 7000/348.
291 In der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts ist meist von
„Hunnen“ und „Awaren“ die Rede. Den schon im zweiten
Pro-grammentwurf
verwendeten Begriff „Hunnawaren“ hat
Kupelwie-ser
möglicherweise von Ziska übernommen (Ziska 1847 p. 33). In
einer der frühesten Quellen über die Awaren, dem um 600
ver-fassten
sogenannten Maurikios Strategikon, einem
Kriegshand-buch,
wurden die Barbaren in drei Gruppen eingeteilt: die
blon-den
Völker, darunter Franken und Langobarden, die Skythen, d. h.
Awaren, Türken und andere hunnische Völker, und die Slawen
und Anten (Vgl.: Pohl 2002, p. 5). Synesios von Kyrene stellte um
das Jahr 400 fest, es gäbe keine neuen Barbaren, die alten
Sky-then
erfänden immer neue Namen, um die Römer zu täuschen.
Diese unpräzise Bezeichnung setzte sich bis in die
Kloster-Chro-niken
der Karolingerzeit fort: Hier werden die Hunnen oft
Sky-then
genannt und die Awaren und Bulgaren hielt man für
Hun-nen
(Pohl 2002, p. 4). Aufgrund der spärlichen Quellenlage ist
eine allgemein anerkannte ethnisch-sprachliche Zuordnung der
Awaren nicht möglich.
292 Möglicherweise stellte Kupelwieser hier die Erstürmung des
soge-nannten
„Rings“ dar. Der Ring war die Hauptburg der Awaren und
Residenz ihrer Fürsten. Vgl.: Pohl (2002) p. 456, Anm.
174.293
Die Awarenkriege Karls des Großen werden in die Jahre 791 bis
803 datiert.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306