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220 Eine ähnliche Vorgangsweise beschreibt Alfred
Bonnar-dot
zum Aufkaschieren von Kupferstichen. Dazu wird
zunächst das Kaschierpapier befeuchtet und an den
Rän-dern
auf einer Arbeitsfläche fixiert.
„Man breitet es [das Kaschierpapier, Anm.] auf einem ganz
sauberen Tische aus und befeuchtet es auf beiden Seiten
mittelt eines Schwammes; alsdann trägt man auf seine Rän
der in einer Breite von 2 oder 3 Centimeter auf der Seite,
welche die linke bilden soll, eine Schicht dicken Kleister auf,
oder, wenn man es vorzieht, (bloß für diesen Fall), Leimgal
lerte auf. […] Es handelt sich jetzt darum, dieses Blatt mit
den Rändern an dem hölzernen Grunde […] zu befestigen,
auf welcher man es sich spannen und trocknen lässt.“831
Durch das Fixieren der feuchten Bögen an den Rändern
spannt sich das Papier beim Trocknen, und es können
keine Falten entstehen.
„Wenn der Kupferstich trocken geworden ist, so werden bei
diesem Verfahren die Runzeln und die Falten vollständig ver
tilgt
sein.“832Nach
dem Trocknen wurden die aus Einzelblättern
zusammengesetzten Papierbögen beschnitten, und zwar
an der rechten, linken und unteren Kante, so dass die
Einzelbögen an diesen Rändern nicht mehr ihre
ursprünglichen Maße aufweisen. (Abb.
297)Die
so dem Format des geplanten Fresko-Gemäldes
entsprechend angepasste Papierbahn wurde vermutlich
an den Rändern mit kleinen Nägeln an der Wand
befes-tigt.
Der Karton Die gekrönte Austria ist der einzige der
hier beschriebenen fünf Kartons, an dem die Ränder
nicht beschnitten wurden und noch im originalen
Zustand vorliegen. Entlang seiner Ränder befinden sich
kleine Löcher, die nur durch das Papier, nicht aber durch
die später aufkaschierte Leinwand gehen. Es kann
ange-nommen
werden, dass ursprünglich alle Kartons diese
kleinen Löcher entlang der Ränder aufwiesen, die von
einer ersten Montierung an der Wand stammen. Das
Raster und die Zeichnung wurden vermutlich auf der so
in vertikaler Position fixierten Papierbahn ausgeführt.
(Abb. 298)
Zur Herstellung der Kartons
Zwischen den Kartons für die Deckengemälde, für die
historischen Szenen an den Wänden, für die Porträts und
die allegorischen Figuren gibt es große Unterschiede
sowohl in der Herstellung der großformatigen
Papierbah-nen
als auch in der Ausführung der Zeichnungen und den
weiteren Überarbeitungen und Veränderungen. Im
Fol-genden
soll der Prozess bei der Herstellung und
Gestal-tung
der Kartons rekonstruiert und beschrieben werden.
Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden
der
DeckeFür
die Kartons zu den Deckengemälden wurden große
Einzelblätter von dickem, grob strukturiertem Papier
zuerst regelmäßig aneinandergefügt, danach wurde auf
die so entstandene großformatige Papierbahn gezeichnet
und das Trägerpapier im Anschluss auf Leinwand
kaschiert. Zu der genauen Vorgangsweise können nur
Vermutungen angestellt
werden.Zunächst
wurden die einzelnen Papierbögen an den
Rändern mit einer Mischung aus tierischem Leim und
Stärkekleister eingestrichen829 und ca. 1 – 2 cm, in
man-chen
Fällen bis zu 8 cm überlappend aneinandergeklebt.
Die meisten Kartons sind so ausgerichtet, dass mit dem
ersten Blatt in der linken oberen Ecke begonnen wurde
und danach die Blätter zunächst in einer Reihe
nebenei-nander
gelegt wurden. Danach wurde, wieder links
begin-nend,
mit der zweiten Reihe fortgesetzt, bis schließlich
das letzte Blatt in der rechten unteren Ecke angeklebt
wurde. Die einzelnen Blätter haben ein Format von 79,5 x
58,5 cm bis 88,5 x 65 cm und wurden, bis auf eine
Aus-nahme
(Karton zur Austria-Allegorie), im Querformat
verwendet. (Abb.
296)Möglicherweise
wurde die so hergestellte große
Papierbahn nach dem Trocknen des Kleisters mit einem
Schwamm befeuchtet, entlang der Ränder erneut mit
Kleister eingestrichen und auf eine Arbeitsfläche,
wahr-scheinlich
eine Wand, geklebt. Dadurch konnten Wellen
und Falten im Papier ausgespannt und das Papier
geglät-tet
werden. Bereits Vasari beschreibt diese Vorgangsweise
zur Herstellung großer Papierbahnen für Kartons:
„The cartoons are made thus: sheets of paper, I mean square
sheets, are fastened together with paste made of flour and
water cooked on the fire. They are attached to the wall by
this paste, which is spread two fingers’ breadth all round on
the side next the wall, and are damped all over by sprinkling
cold water on them. In this moist state they are stretched so
that the creases are smoothed out in the drying.“830 829 Untersuchungsbericht von Robert Linke (Zentrallabor des
Österreichischen Bundesdenkmalamtes), in: Eyb-Green (2009)
p. 449f. und ebd. p.
293f.830
Brown (1960) p.
213.831
Bonnardot (1859) p.
71.832
Ebd. p. 71.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306