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188 Wandflächen vollständig bedeckt. Anders als etwa bei
Schnorr von Carolsfelds Gemälden in der Münchner
Residenz, die als Wandteppiche gestaltet und alle
recht-eckig
sind, entstehen dadurch Bildfelder mit
ungewöhn-lichen
Formen, die eine Herausforderung für den
Bild-aufbau
darstellten.Die
rautenförmigen Bilder in den Ecken führte
Kupel-wieser
zwar, die Tektonik des Raumes überspielend, um
die Ecke, gestaltete aber den schmalen Bildstreifen,
der dadurch entstand, immer als eigenständige Gruppe,
die auch getrennt vom Hauptbild als eigenständige
Kom-position
besteht und für sich betrachtet werden kann.
(Abb. 271,
272)Dazu
zählen etwa die Darstellung von Bischof
Kollo-nitsch,
der von Kindern umringt ist, die Abschiedsszene
mit dem jungen Freiwilligen beim Aufgebot von 1797,
oder das Gruppenporträt von drei Delegierten auf dem
Wiener Kongress. Für die schmalen Bildfelder zeichnete
Kupelwieser eigene Kartons, deren Motive religiöse oder
vaterländische Bildformeln zitieren, etwa in dem
Gemälde zu Bischof Kollonitsch den Bildtypus Lasset die
Kinder zu mir kommen oder im Seitenteil des Aufgebots
von 1797 jenen vom Abschied des Landwehrmannes.
Inter-essanterweise
wurden diese Kartons in der Folge als
eigene Kompositionen wahrgenommen und präsentiert
und wirkten gänzlich ohne Kontextualisierung durch
den dazugehörigen großen Hauptteil. (Abb. 273,
274)Innerhalb
des Zyklus hat jede Darstellung ihren eigenen
Charakter, ihre eigene Raumillusion und ist als Einblick
in eine geschichtliche Szene konzipiert, die sich dem
Betrachter in fragmentarischen Bildausschnitten wie ein
Fenster öffnet und gleichsam hinter der realen
Architek-tur
liegt; diese offene Form der Komposition, in der
Figu-ren
vor allem aus dem unmittelbaren Vordergrund
auf-tauchen,
unterscheidet Kupelwiesers Bildkonzeption
deutlich von jener idealen, nazarenischen Konzeption,
die durch geschlossene Bildfelder charakterisiert ist. Der
den ganzen Raum beherrschende Illusionismus im Casino
Massimo wird im Statthalterei-Zyklus dabei in die
einzel-nen
Bildfelder verlegt.654
Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und
Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische
Identitäten und ihre Inszenierungen
Während seiner Arbeit an den Statthalterei-Fresken
übermittelte Leopold Kupelwieser in seiner Funktion als
Vorsitzender der Malereisektion an der Akademie dem
gramm, Maltechnik und Arbeitsorganisation also dem
idealistischen nazarenischen Konzept von Freskomalerei
verpflichtet waren, zeigt Kupelwiesers Malstil, wie schon
bei den Arbeiten in der Johannes-Nepomuk-Kirche und
dem Wandgemälde in der Klosterneuburger
Friedhofs-kapelle
(Das letzte Gericht), realistische Tendenzen,
die Rupert Feuchtmüller als „innige Natürlichkeit“653
bezeichnet.
Die einzelnen Bildfelder sind von weiß-goldenen
Zier-leisten
gerahmt, mit denen auch die flache Decke
unter-teilt
wird. In der Villa Massimo gestaltete Julius Schnorr
von Carolsfeld die Decke des Ariost-Saals auf ähnliche
Weise und griff dabei auf das übliche Dekorationsschema
des Cinquecento zurück, in dem ohne Rücksicht auf
Illu-sion
einzelne, durch Rahmung getrennte Darstellungen
aneinandergereiht werden.
An den Wänden setzte Kupelwieser dieses Schema
fort, wobei er die Bildfelder hier den architektonischen
Gegebenheiten des Raumes weitgehend anpasste.
Dadurch sind, wie bei der Villa Massimo in Rom, alle
Abb. 273: Karton „Bischof Kollonitsch und die Waisenkinder“;
Nö. Landesmuseum, Inv. Nr.
773.Abb.
274: Karton „Abschiedsszene“; Nö. Landesmuseum, Inv. Nr. 774.
653 Feuchtmüller (1949) p.
41.654
Vgl.: Vancsa (1973) p. 154ff.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306