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174 stellen auch Rahmenformen dar. So sind etwa die
Fresko-bilder
in St. Apollinaris (1842 – 1856) jeweils von einer
Stuckleiste gerahmt und erscheinen der neutralen Wand
aufgelegt. Sowohl die Illusion eines Wandteppichs als
auch die eines gerahmten Bildes erlaubten größere
Frei-heiten
in der Gestaltung der Bildfelder, indem die
Wand-gemälde
nicht den architektonischen Einteilungen zu
folgen brauchten und sich dadurch auch in dieser
Hin-sicht
der Ölmalerei annähern konnten.
Dass die Wandbilder, entgegen der früheren
nazare-nischen
Konzeption, sich dem Raumzusammenhang
nicht mehr unterordnend fügen wollten, bedauert der
Kritiker Anton Springer:
„Heutzutage halten es die Maler gewöhnlich unter ihrer
Würde, dem Architekten dienstbar zu erscheinen, und mei
nen vielmehr die Architektur dazu ausersehen, den beschei
denen Hintergrund ihrer Thätigkeit zu bilden.“587
Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen
Auftraggeber und Publikum
Eingangs wurde festgestellt, dass das Fresko durch seine
Dauerhaftigkeit, Größe, Technik und Tradition für die
Eignung als öffentliche Malerei prädestiniert schien.
Schon 1823 schreibt Julius Schnorr von Carolsfeld, noch
aus Rom, an seinen Vater:
„Während die Malerei sich sonst gewöhnlich in ein enges
Rähmchen zwingen muß, bald hier in ein Schlafgemach, dort
in ein Schreibzimmerchen verwiesen wird, nirgends eine
feste bleibende Stätte hat, tritt sie [das Fresko, Anm.] hier
majestätisch, jung und üppig an ihrer Schwester Hand, der
Architektur, einher, verschmäht es, bloß hier und da einem
Vornehmen eine Visite höflich zu machen, sondern sie
erscheint wie ihre Schwester, Königin und Göttin im Volk,
aber als eine Göttin wie Ceres, die das Volk belehrte und
beglückte.“588Das
Argument der Dauerhaftigkeit spielt dabei – ganz im
Sinne der in den Anfängen stehenden Denkmalkunde –
bereits eine zentrale Rolle. Joseph von Hormayr schreibt
1830 im Inland:
und heute auch blos durch ein tiefer eindringendes Kunst
studium gewonnen und gewürdigt werden kann.“583
Dennoch – in der Regel wurden die neuen technischen
Möglichkeiten gerne genutzt, und Erfindungen lösten
einander in immer schnellerer Folge ab. Um 1845
entwi-ckelte
der Chemiker Wilhelm Eduard Fuß in Berlin das
Verfahren der Lavamalerei, bei dem aus Lavamasse
gesägte Platten mit weißem Glasfluss gesättigt wurden,
auf den mit feuerbeständigen Metalloxyden, die danach
eingebrannt wurden, gemalt wurde. Andreas Müller
erfand in Düsseldorf die Öl-Wachs-Malerei, wenige Jahre
später verbreitete sich die von Fritz Gerhard angeregte
Kasein-Technik – und die Liste ließe sich weiter
fortset-zen.
Angesichts des stets vielfältiger werdenden Angebots
an Methoden und Materialien in der Wandmalerei stellt
der Nazarener Steinle bei der Ausmalung des
Wallraf-Richartz-Museum
bedauernd fest:
„Ich habe oft in dieser Zeit nicht ohne Neid und Kummer in
jene Zeit zurückgeblickt, in der die Kunst auch mit ihren
technischen Mitteln so natürlich gesund war und die Art der
Ausführung fast immer den ganz entsprechenden Körper zum
geistigen Inhalte bildete
[…].“584Steinles
Kritik setzt, ganz in alter nazarenischer Tradition,
an der Beliebigkeit der Mittel in der Wandmalerei an, mit
der die zu Beginn der Nazarener-Bewegung postulierte
Einheit von Inhalt, Form, Maltechnik und Material
obso-let
geworden und zugleich historische Rückbezüge
ver-loren
gegangen waren.
Dieser Entwicklung entspricht die parallel dazu
verlau-fende
Emanzipierung der Malerei aus ihrem
architekto-nischen
Kontext. 1823 schreibt Schnorr von Carolsfeld
noch, die Malerei trete beim Fresko „an ihrer Schwester
Hand, der Architektur“585 auf; und im Conversations Lexi
kon von 1839 findet sich die Forderung, die durch die
Architektur gegebenen Hauptformen zu beleben, ohne
sie zu zerstören, sei in solchen Fällen Aufgabe der Malerei:
„[…] daher dürfen ihre Gebilde auch keine Ansprüche auf
sinnliche Illusion machen, oder auf die Möglichkeit der Ver
wechslung mit der Wirklichkeit ausgehen.“586
In der Praxis wurden jedoch für viele große
Wandmalerei-Projekte,
in Anschluss an tradierte Dekorationsprinzipien
wie die der Farnesina, wandunabhängige Bildsysteme im
Sinne eines Teppichs gewählt: Moritz von Schwind
gestal-tete
seine Wandgemälde in der Staatlichen Kunsthalle
Karlsruhe, im Rüdigerhof und in der Wartburg mit
Wand-teppich-Bordüren,
desselben Kunstgriffs bediente sich
auch Julius Schnorr von Carolsfeld in den Münchner
Kai-sersälen
und bei seinem Nibelungen-Zyklus. Ein
wesent-liches
Indiz für die Verselbständigung der Wandmalerei 583 Ebd. p.
121.584
Steinle (1897) 1. Bd., p.
323.585
Brief von Julius Schnorr von Carolsfeld an seinen Vater vom
26.3.1823, zit. nach: Kuhlmann-Hodick (1999) p. 39, Anm.
15.586
Conversations Lexikon der Gegenwart, 8. Auflage, Bd. 2, Leipzig
1839, p.
210.587
Springer (1856) p.
707.588
Brief von Julius Schnorr von Carolsfeld an seinen Vater vom
26.3.1823, zit. nach: Kuhlmann-Hodick (1999) p. 39, Anm. 15.
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Das zusammengedrängte Gedenken
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Das zusammengedrängte Gedenken
- Autor
- Sigrid Eyb-Green
- Verlag
- Bibliothek der Provinz
- Ort
- Weitra
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-99028-075-1
- Abmessungen
- 24.0 x 27.0 cm
- Seiten
- 312
- Schlagwörter
- Leopold Kupelwieser, Freskenzyklus, Geschichtsdarstellung, 19. Jahrhundert, Werkprozess, Karton, Fresko, Papier, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 13
- Zur Baugeschichte der Niederösterreichischen Statthalterei 15
- Die Genese des Bildprogramms 19
- Erster Programmentwurf 19
- Der zweite Gesamtentwurf 35
- Zweiter und dritter Programmentwurf 39
- Die Aquarellentwürfe 40
- Der Freskenzyklus Einleitung und Überblick 43
- Zu den schriftlichen und bildlichen Quellen Leopold Kupelwiesers 45
- Die einzelnen Bildfelder: Bezüge, Quellen, Intentionen 47
- Die gekrönte Austria 47
- Odoakervor dem heiligen Severin (465 – 470) 56
- LeopoldI. stürmt Melk (984) 63
- Die drei Erbauer der St. Stephanskirche 68
- Die Gründung der Universität Wien durch Rudolf IV. (1364) 77
- Kaiser Marc Aurel: Markomannenschlacht und Tod 81
- Zug Karls des Großen gegen die Hunnawaren 85
- Leopold erhält von Otto II. die Ostmark zum Lehen 90
- Rudolf I. verleiht die Lehen an Albrecht I 95
- Das öffentliche Gericht zu Tulln (1200) 100
- Ferdinand I. setzt 1540 die niederösterreichische Regierung ein 109
- Die Türkenkriege der Jahre 1529, 1683 und 1697 116
- Die Aufgebote von 1797 125
- Erzherzog Karl in der Schlacht von Aspern 132
- Der Kongress zu Wien 1814 137
- Einleitungzu den Herrscherporträts 143
- Rudolf I 144
- MariaTheresia 148
- Maximilian I 151
- Joseph II 154
- Albrecht II 156
- Ferdinand II 158
- Ferdinand I. der Gütige 161
- Franz Joseph I 164
- Rezensionen 166
- Fresko und Karton als Formen öffentlicher Kunst Das Fresko: zur Konstruktion eines Gattungsbegriffs 167
- Die Praxis nazarenischer Wandmalerei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Technik und Stil 168
- Öffentliche Kunst im Spannungsfeld zwischen Auftraggeber und Publikum 174
- Formen der Öffentlichkeit: Leopold Kupelwieser und die Situation der Geschichtsmalerei in Österreich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts 175
- Leopold Kupelwiesers Statthalterei-Zyklus und Entwurf einer Geschichtshalle: österreichische Identitäten und ihre Inszenierungen 188
- Zum Problem der „geschichtlichen Wahrheit“ in der Geschichtsmalerei 199
- Kupelwiesers Statthalterei-Kartons im Kontext nazarenischer Kartonkunst: „Vom Wesen des Kunstwerks“ 201
- Materialtechnologische Aspekte Der Arbeitsprozess im Überblick: Kartonzeichnungen, Probetafeln und Freskoarbeiten 215
- Zur Herstellung der Kartons 220
- Die Kartons zu den fünf Hauptgemälden der Decke 220
- Fünf Kartons zu Herrscherporträts: Rudolf I., Maximilian I., Ferdinand II., Maria Theresia und Joseph II 224
- Die Kartons zu den Allegorien 225
- Die Kartons zu den historischen Gemälden an den Wänden 231
- Die Kartons zu den beiden Friesen 234
- Die weitere Verwendung von neun Kartons als Deckenbilder im Palais Questenberg-Kaunitz 235
- Die Präsentation der Kartons an der Decke des Palais Questenberg-Kaunitz Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1940 244
- Übergabe aller Kartons 249
- Zur Aufbewahrung jener Kartons, die nicht im Palais Questenberg-Kaunitz präsentiert wurden 249
- Ausstellungen der Kartons 252
- Herstellung und Verwendung von Kartons für Wand- und Deckengemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Beispiele und Quellenliteratur 257
- Die Papierbahn 257
- Die Zeichnung 260
- Die Fixierung 263
- Die Übertragung an die Wand 265
- Die Fresko-Probetafeln 267
- Kupelwiesers Palette und Maltechnik 270
- Kupelwiesers Papiere: Ein Überblick über die Papierproduktion in der Habsburgermonarchie um 1850 273
- Die Papiere für Skizzen und Vorstudien 273
- Transparentpapiere 276
- Papiere für die Kartons 279
- Anhang: Programmentwürfe und Korrespondenzen Nö. Landesarchiv, Varia 8/1a: Programmentwurf I 294
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1b: Programmentwurf II 296
- Nö. Landesarchiv, Varia 8/1c: Programmentwurf III 297
- Nö. Landesarchiv, Varia 8: Schreiben von Leopold Kupelwieser an Freiherrn Kübeck von Kübau 297
- Nö.Landesarchiv, Varia 8: Anweisung Kübeck von Kübaus an Freiherrn Talatzko von Gestiecek 298
- Literaturverzeichnis 301
- Quellenverzeichnis 305
- Personenregister 306