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I. Einleitung
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auf das bekämpfte Gegenüber.84 Gesellschaftliche Entwicklung wird kulturpessimis-
tisch als Verfallsgeschichte gelesen , die von der menschlichen Versündigung am ver-
meintlich Gott- oder Naturgewollten angetrieben werde.85 Zusammen mit einer Reihe
weiterer Merkmale ideologischer , stilistischer und organisatorischer Art86 bildet das
so umrissene Denken den Idealtypus des Rechtsextremen. Dabei ist zu betonen , dass
viele dieser Merkmale auch in anderen politisch-ideologischen Spektren auftreten kön-
nen und erst in der Verknüpfung mit weiteren Elementen rechtsextremen Charakter
annehmen. Umgekehrt muss , dem Charakter eines Idealtypus entsprechend , nicht die
volle Bandbreite an Merkmalen gegeben sein , um eine konkrete Person oder Gruppie-
rung als rechtsextrem einstufen zu können. Sehr wohl gegeben sein muss nach meinem
Begriffsverständnis zum Ersten die Grundannahme einer ‚natürlichen‘ , kollektivistisch
bestimmten Ungleichheit
– zumeist als Rassismus , Antisemitismus und Sexismus
– ,
respektive die Neigung zur systematischen Umdeutung sozialer Ungleichheit in na-
türliche ; zweitens die Unterstellung der Natürlichkeit und Naturnotwendigkeit von
Auto rität und Hierarchien innerhalb sozialer Verbände von Menschen ; darüber hin-
aus müssen zumindest ein weiteres der genannten Definitionsmerkmale sowie eine „ge-
wisse( ) Stabilität“ der Anordnung der einzelnen Ideologieelemente zueinander vorlie-
gen.87 Tatsächlich werden diese Anforderungen in jedem Fall der Begriffsverwendung
in diesem Buch übererfüllt.
Als zumindest fallweise begriffliche Alternative hat sich in der jüngeren Vergangen-
heit der Terminus des Rechtspopulismus zunehmend in der wissenschaftlichen Diskus-
sion etabliert. Sinnvoll erscheint mir dies dort , wo die Beschäftigung mit politischen
Stilmitteln , Propagandatechniken , Inszenierungen und dem Verhältnis zwischen poli-
tischen Führern88 und ihren AnhängerInnen im Vordergrund stehen soll. Sinn ergibt
die Rede vom Rechtspopulismus darüber hinaus zur Bezeichnung diffus rechts orien-
tierter , sich vom historischen Faschismus und seinen aktuellen WiedergängerInnen
abgrenzender Gruppierungen , die eine primär an Themenkonjunkturen und Mehr-
heitsmeinungen ausgerichtete Politik verfolgen und dabei relative ideologische Belie-
84 Vgl. Holzer 1994 , 52–54 ; zu Stellenwert und Transformationen des Antisemitismus in der rechtsextremen
Weltanschauung vgl. Schiedel 2007 , 36–41 u. 59–61.
85 Vgl. Schiedel 2007 , 25.
86 Zu diesen übrigen Definitionselementen nach Holzer und Schiedel – Antiliberalismus , Autoritaris-
mus , Männlichkeits- und Stärkekult , Gewaltlatenz usw.
– vgl. ebd., 24–28 , sowie ausführlich Holzer
1994 , 31–75.
87 Schiedel 2007 , 27 ( vgl. ähnlich Schwagerl 1993 , 18 ).
88 Die Verwendung der männlichen Form soll hier nicht nur dem eklatanten Männerüberhang in den Füh-
rungsriegen rechtsextremer Parteien Rechnung tragen , sondern auch der Bedeutung des Faktors Männ-
lichkeit in dem erwähnten spezifischen Verhältnis von Führung und Anhang ( vgl. dazu Schiedel 2007 ,
62 f., sowie
– grundsätzlich und ausführlich zu Rechtsextremismus und Männlichkeiten
– Claus/Lehnert/
Müller 2010 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619