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II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung
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ter Burschenschaften aus der Bundesrepublik. Auf dieser Tagung war nicht nur über
die Haltung der Burschenschaften gegenüber Weimarer Republik und Nationalsozia-
lismus debattiert , sondern im Zuge dessen auch „die Problematik des nationalen Den-
kens überhaupt“ adressiert worden. Berndts Bericht trug den durchaus programmatisch
zu verstehenden Titel „Revision des burschenschaftlichen Geschichtsbildes“.214 An der
folgenden , sich über ein halbes Jahr ziehenden Debatte in den Blättern beteiligten sich
auch drei Burschenschafter aus Österreich.215
Im Jänner-Heft 1957 meldete sich Sigurd Weyringer ( Arminia Graz , Albia Wien ) zu
Wort.216 Für den Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung und die Hinwendung
vieler Burschenschafter zu ihr macht er die Situation verantwortlich , die die Pariser
Vorortverträge geschaffen hätten. In der „Judenfrage“ ( O-Ton Berndt ) wiederum sei
die DB einer weite Teile des Korporationsstudententums erfassenden Entwicklung ge-
folgt. Ein historisches „Versagen der Burschenschaft“, wie in Berndts Bericht konsta-
tiert , könne er daher nicht erkennen.217 Das Handeln der Protagonisten müsse aus den
Nöten der Zeit heraus verstanden und ihnen zugutegehalten werden , dass sie „der ehr-
lichen Überzeugung waren , zum Besten Deutschlands zu handeln“. Zwar ortet Weyrin-
ger nicht näher spezifizierte „Auswüchse“ am Nationalsozialismus – diese seien aller-
dings „auch bei Kenntnis des Buches ‚Mein Kampf‘ kaum vorauszusehen“ gewesen.218
Einen „brutalen Vernichtungswillen“ vermag er rückblickend durchaus zu erkennen ,
verweist damit aber nicht etwa auf die nationalsozialistischen Massaker und Todes-
fabriken , sondern auf den sogenannten ‚Morgenthau-Plan‘.219 Da jene „Irrtümer( )“, die
geschehen seien , „keineswegs im burschenschaftlichen Geschichtsbild selbst verankert ,
sondern gerade aus einem Abweichen von demselben in Zeiten nationalen Notstandes
entstanden“ seien , bestehe keine Notwendigkeit , das burschenschaftliche Geschichts-
bild zu revidieren – es sei denn , man wolle „das nationale Denken der Burschenschaft
überhaupt in Frage“ stellen und „der burschenschaftlichen Idee eine Existenzberechti-
gung in der heutigen Zeit überhaupt ab( sprechen )“.220
Sämtliche in diesen Ausführungen enthaltenen Abwehrstrategien wurden bereits zu-
vor anhand von Berkas Vortrag beschrieben. Besonders bemerkenswert erscheint der
zuletzt zitierte Satz : Weyringer erkennt darin , dass eine konsequente Übernahme von
214 Burschenschaftliche Blätter Nr. 10 / 1956 , 239–242.
215 Auf einen der drei Beiträge , jenen von Robert Zimmermann ( Silesia Wien ), wird in weiterer Folge nicht
näher eingegangen , da er sich v. a. methodischen Fragen der Geschichtsschreibung widmet.
216 Vgl. Burschenschaftliche Blätter Nr. 1 / 1957 , 4–10.
217 Vgl. ebd., 5–8 ( Zitat : 6 , Herv. entf. ).
218 Ebd., 7 ( Herv. entf. ) bzw. 9.
219 Dieser letztlich nie umgesetzte Entwurf einer Nachkriegsordnung aus der Feder von US-Finanzminis-
ter Henry Morgenthau hatte bekanntlich darauf abgezielt , Deutschland dauerhaft die Durchführung
weiterer Aggressionskriege zu verunmöglichen.
220 Burschenschaftliche Blätter Nr. 1 / 1957 , 8 ( Herv. entf. ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619