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III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen
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politischen Handeln geprägten Leben“ anzuhalten.23 Der deutlichste Hinweis auf ak-
tive politische Betätigung der Bünde als solche besteht dabei in der Erwähnung von
Flugblatt- und Infostandaktionen.24 Stiria Graz definiert ihre burschenschaftlichen
Aufgaben noch heute als „( e )ine studentische und eine politisch erzieherische“25 , Si-
lesia Wien präsentiert sich gar explizit als einem „arministische( n ) Prinzip“ verpflich-
tet , versteht darunter allerdings lediglich die Weigerung , sich „zum Drill für eine po-
litische Fraktion ( … ) her( zu )geben“26.
Die solch bildungsorientierter Anmutung zum Trotz unzweifelhaft interventionis-
tische Ausrichtung der Österreicher verdeutlicht ein Beschluss , den die Delegierten-
versammlung des 1965 gebildeten gemeinsamen Dachverbandes von DB und DBÖ 1968
zur Zufriedenheit der Österreicher fasste : „Aus ihrer Zielsetzung heraus ist die Bur-
schenschaft“
– über Erziehung zu politischer Handlungsfähigkeit und kritischem Den-
ken hinaus – „zur politischen Aktion verpflichtet“; dies gelte für die Hochschulpolitik
wie auch jenseits derselben und binde den Verband ebenso wie den Einzelbund.27 Auch
auf praktischer Ebene war das Verhalten jedenfalls des Gros der österreichischen Bünde
in der Zweiten Republik keineswegs von politischer Enthaltsamkeit geprägt , wie ich in
Kapitel IV zeigen werde. Ungeachtet dessen forderten interne Kritiker immer wieder
ein Mehr an Aktivität auf allen Ebenen ein. „Mit wenigen Ausnahmen scheinen sich
die österreichischen Burschenschaften weder als politische Bildungs- noch als politi-
sche Aktionsgemeinschaften zu verstehen“, vermerkte etwa Sigurd Scheichl ( Germania
Innsbruck ) 1978 in einem Rundschreiben an seine Bundesbrüder.28 Auch mangelnde
Sichtbarkeit wurde häufig beklagt , bestehe doch „( d )ie eigentliche politische Aufgabe
der Burschenschaft ( … ) darin , ihr Ideengut in die Öffentlichkeit zu tragen“.29 Sowie
Pläne zur Errichtung von Hochschulen in Linz und Salzburg ruchbar wurden , beschloss
der DBÖ-Tag in diesem Sinne die Sondierung von Möglichkeiten , in diesen Städten
Burschenschaften ( wieder-)aufzumachen.30 „Das Bestreben der Burschenschaft soll
und muß es immer sein , ihr Gedankengut möglichst an alle deutschen Hochschulen
23 AVSt , DBÖ 1994 , 16 bzw. 28.
24 Ebd., 17.
25 http://www.stiria-graz.at/index.php/wir-ueber-uns.
26 http://www.silesia-wien.at/index.php/silesiageschichte.html ( Herv. entf. ).
27 Zit. nach den Germanenmitteilungen , Juli 1968 , 1.
28 PBW , internes Rundschreiben des Altherrenverbandes der Germania Innsbruck vom 25. 5. 1978 , 7.
29 So Herwig Büchele ( Brixia Innsbruck ) 1960 in seiner Eigenschaft als DBÖ-Volkstumsreferent ( BAK ,
DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2/6 zum Protokoll des DBÖ-Tages 1960 , 10 ). Zu den Bemühungen insbeson-
dere der Oberösterreicher Germanen um eine höhere Wahrnehmbarkeit der Burschenschaften in Öster-
reich vgl. Oberösterreicher Germanen 1994 , 163 , 26 und 109 sowie BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ),
Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1975 , 42 f.
30 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Arbeitsunterlagen zum DBÖ-Tag 1962 , 10 f. und die Niederschrift dessel-
ben , 8.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619