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III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen
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Auseinandersetzung stellte sich ihnen daher als eine zwischen „bedingungs losen Ver-
tretern nationaler Ideale“ und jenen dar , denen „das Fafnerische Ruhebedürfnis , viel-
leicht auch eine billigere Volksausgabe des Corps , wichtiger als alles andere erschien“.37
Ebendiesen Konflikt zugunsten der Ersteren zu entscheiden , war – neben der Auf-
nahme österreichischer Bünde in die DB
– auch Gründungsidee der Burschenschaft-
lichen Gemeinschaft 1961.38 Trotz von Letzterer erwirkter Erfolge in der Repolitisie-
rung des Dachverbandes konstatiert der Chronist der Oberösterreicher Germanen auch
für Ende der 1980er-Jahre „politische Apathie“ in der DB : „( V )on einer konkreten
poli
tischen Willensbildung oder gar einer Aktion konnte keine Rede sein.“39 Von
der „entnervenden Paralyse“ des Verbandes wusste auch Germanen-Sprecher Gun-
ther Pendl 1991 in der Bundzeitung zu berichten. „Manchmal hat man gar den Ein-
druck , daß wir in die Sauf- und Raufverbindungen der vorburschenschaftlichen Zeit
zurück gefallen sind.“40
Ursachenanalyse
Paradoxerweise , so möchte ich nachfolgend argumentieren , stellen eben die Bemühun-
gen der Österreicher , ihre bundesdeutschen Waffenbrüder in ihrem Sinne zu politisie-
ren , einen der zentralen inneren Faktoren dar , die ihnen selbst ein intensiveres politisches
Engagement nach 1945 verunmöglichten. Die anderen Punkte umfassen die Bedeutung ,
die sie dem verbindungsstudentischen Brauchtum nach wie vor beimaßen , den ( Wie-
der-)Aufbau eines ausufernden Institutionengefüges , ein gewisses politisch-program-
matisches Vakuum sowie Zeitmangel und chronische Personalknappheit.41
37 Teutonia 1968 , 107 ; vgl. auch BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1955 , 10. Fafner verweist
auf den schlafenden Lindwurm aus Wagners ‚Ring des Nibelungen‘ , der einst ein Riese war ( bzw. auf die
diesem zugrunde liegende Figur der nordischen Mythologie ).
38 Vgl. AVSt , Burschenschaftliche Gemeinschaft 1976 , 16–19 sowie den Tätigkeitsbericht der den Öster-
reichern politisch eng verbundenen Danubia München von 1978 : In der DB herrschten demnach „Ver-
einsmeierei“, „Satzungsfetischismus“ und eine „antipolitische( ) Grundhaltung“ vor , während der „natio-
nalpolitische( ) Auftrag der Urburschenschaft“ vernachlässigt würde ( BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage
[ a ], Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1978 , 2 f. ).
39 Oberösterreicher Germanen 1994 , 123 bzw. 151. Zu den Politisierungserfolgen vgl. ebd., 39 f.
40 Zit. ebd., 166. Für noch rezentere Bestandsaufnahmen dieser Art vgl. etwa die Texte des rechtsextre-
men Publizisten Jürgen Schwab ( Staatsbriefe Nr. 9–10 / 1996 , 19 f., Schwab 2004 und 2009 ). Dieser wurde
2002/03 sowohl von Thessalia zu Prag in Bayreuth als auch von seiner Zweitburschenschaft Germania Graz
ausgeschlossen ( vgl. Schwab 2004 ).
41 Hierfür lassen sich neben der burschenschaftlichen Reformverweigerung auch externe Gründe anfüh-
ren , etwa das ausgeprägte WerkstudentInnentum der Nachkriegszeit ( vgl. z. B. Aula Nr. 6 / 1953 , 21 ), die
jede Rekrutierung erschwerenden Lenkungseffekte des schwarz-roten Proporzwesens und steigender ad-
ministrativer und ökonomischer Druck auf Studierende ab den 1970er-Jahren. In letzterer Hinsicht er-
scheint eine Resolution erwähnenswert , die der Burschentag 1974 verabschiedete : Sie richtete sich ge-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619