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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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der „in sich uneinige( n ) und daher als politische Kraft immer schwächer werdende( n )
Burschenschaft“ in Österreich und wollten alle Bünde „wieder geeint an einem Strange
ziehen“ sehen
– sowohl um Angriffen von außen wirksam entgegentreten zu können als
auch um wieder größere politische Relevanz zu erlangen.306 Der Analyse des Co-Initi-
ators Gerhard Wirl ( Silesia Wien , Arminia Czernowitz zu Linz ) nach würden die Bur-
schenschaften erst wieder ernst genommen werden , wenn sie wieder „die Homogenität
der 50er und frühen 60er Jahre“ erreichten , „die eine einheitliche Meinung suggerier-
te“.307 Wo eine solche als Bedingung erscheint , dem selbst auferlegten politischen Auf-
trag der Burschenschaften gerecht werden zu können , sehen nonkonforme Positionie-
rungen sich freilich schnell unter Verratsverdacht gestellt.
Die eben beschriebenen Begründungslinien für geschlossenes Auftreten nach au-
ßen hin und die darauf gründende Wagenburg-Mentalität der Burschenschaften in Ös-
terreich gewannen mit der Verbreitung und Schärfe teils antifaschistisch , teils partei-
politisch-opportunistisch motivierter Kritik an diesen über den Untersuchungszeitraum
an Bedeutung. Nachweisbar sind entsprechende Plädoyers dennoch bereits für die Res-
taurationsphase Anfang der 1950er-Jahre
– hier weniger angestoßen durch direkte Kri-
tik am völkischen Verbindungswesen als vielmehr gespeist aus dem Selbstverständnis
des völkischen Korporationswesens als ideologische Opposition gegen den Austriazis-
mus und ( wenn auch inkonsequenten ) Antinazismus des offiziellen Nachkriegs-Öster-
reich und die politische Dominanz der beiden Großparteien ÖVP und SPÖ ( vgl. dazu
Abschnitt III.6 ). Dieses oppositionelle Selbstverständnis , verstärkt durch die Empfin-
dung politischer Ausgrenzung und individueller Diskriminierung etwa im öffentlichen
Dienst , begünstigte eine Selbstwahrnehmung der Burschenschafter als Parias , die geeint
aufzutreten hätten , um unter feindseligen Umweltbedingungen bestehen zu können.
Das Argument der durch Debatten und Spaltungen geminderten Schlagkraft
tauchte
– noch auf einer vorwiegend organisatorischen Ebene
– etwa am ADC-Tag
1954 auf. Olympia Wien und Ostmark Graz formulierten dabei Bedenken gegen die
Gründung einer Vereinigung alter Burschenschafter ( VaB ) in Österreich , da diese die
Zusammenfassung der „gesamte( n ) freiheitliche( n ) Akademikerschaft“ im Akademi-
kerverband Österreich ( AVÖ ) infrage stelle und „die Gefahr einer Zersplitterung die-
ser Einheitsfront und damit einer Schwächung ihrer Kraft“ mit sich bringe. Othmar
Loibner ( Allemannia Graz ) argumentierte unter dem Aspekt ideologischer Geschlos-
senheit dagegen : Die VaB verspreche gerade , die im nicht nur Burschenschafter er-
fassenden AVÖ immer wieder auftretenden „Divergenzen“ hinter sich zu lassen.308
306 Vgl. den Arminenbrief ( mutmaßlich ) vom Sommersemester 1995 , 1 bzw. die Einladung zum ersten Vor-
bereitungstreffen zur Installierung des BR in Salzburg am 26. 3. 1994 , zit. ebd., 2 ; vgl. ferner ebd., 4.
307 Arminenbrief ; ( mutmaßlich ) Sommersemester 1995 , 4.
308 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 8. Innerhalb der DB geriet der Anspruch orga-
nisatorischer Einheit mit jenem der ideologischen Homogenität aufgrund tatsächlicher Auffassungs-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619