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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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sche Haltung der österreichischen Burschenschaften gerade in den Fragen , die für uns
am brennendsten sind“, würde „eine kritische Überprüfung des übernommenen Gedan-
kenguts erschwer( en ), wenn nicht verhinder( n ). Das geistige Leben in der Deutschen
Burschenschaft und ihre fruchtbare Nachkriegsentwicklung würde [ sic ] einen schwe-
ren Rückschlag erleiden.“378 Umgekehrt riefen die reformatorischen Anwandlungen
von BRD-Burschenschaftern bei den österreichischen Bünden immer wieder Entrüs-
tung oder zumindest Unverständnis hervor. Anstatt den Reforminitiativen alternative
Innovationen entgegenzusetzen ( „Wozu auch ?“, so der Brixe Hans Öhlinger 2001379 ),
gefielen die Österreicher sich in ihrer seit der Bismarck’schen Reichsgründung einge-
übten Selbstwahrnehmung als ‚bessere Deutsche‘ und Bewahrer der burschenschaftli-
chen Überlieferung vor jeglicher Verfälschung.380 Auf DB-Ebene bedeutete dies etwa ,
den von ihnen konstatierten Links- bzw. Modernisierungstendenzen mancher Bur-
schenschaften unter Zuhilfenahme des Verbandsprinzips des ‚Selbstausschlusses bei
der Aufgabe von Grundsätzen‘ einen Riegel vorzuschieben. Diese „im deutschen Ver-
einsrecht wenn nicht einmalig( e ), so doch ungewöhnlich( e )“ Konstruktion erlaubte es ,
nicht linientreue Bünde ohne viel Federlesens aus dem Verband zu bugsieren.381 Das
378 BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr. 24 / 1960 ( Vorort Bremen ), 8. Ganz ähnlich äußerte
sich zeitgleich Erich Vogel ( Vineta Heidelberg ) und verwies dabei insbesondere auf die österreichische
„Überbetonung des volklichen Prinzips“ ( ebd., 9 ). Kurt Müller ( Arminia Würzburg ) äußerte Verständ-
nis für die Österreicher , wollte deren Aufnahme jedoch nicht das „Zukunftsprogramm“ der DB geop-
fert sehen , das „die Lehre einer schmerzlichen Vergangenheit“ widerspiegle ( BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ],
VaB-Mitteilungen Nr. 25 / 1961 [ Vorort Bremen ], 5 ). Vgl. ferner Stimmers Urteil über den „geringe( n )
Reflexionsgrad“ der völkischen Verbindungen in Österreich im Vergleich mit den bundesdeutschen
( Stimmer 1997 , Band II , 1002 ).
379 Brixia 2001 , 47.
380 Am eindrucksvollsten demonstrierten dies Albia Wien , die 1968 aus der BG
– dem häufig als rechts-
extrem , jedenfalls aber als konservativste Fraktion im Rahmen der DB angesehenen Zusammenschluss
–
austrat , da ihrer Meinung nach „deren Anschauungen schon ganz verwässert waren“ ( Albia 2005 , 19 )
sowie Arminia Czernowitz zu Linz , die ihr mit ähnlicher Begründung gar nicht erst beitrat ( Arminen-
brief , [ mutmaßlich ] Sommersemester 1995 , 3 ). Über den austro-burschenschaftlichen „Drang , die Ös-
terreicher als die besseren Deutschen herauszustreichen“, äußerte sich Gugerbauer in seinem Bericht
über den Vorsitz der Oberösterreicher Germanen in der DB 1974/75 : Dieses Bedürfnis nehme zwar in sei-
nem Bund „nicht so betont ‚zwanglose‘ Formen an wie im Ostmarkenkartell [ Silesia , Stiria , Suevia ,
Anm. B. W. ]. Doch zumindest unterbewußt spielte der Wunsch mit , die in Westdeutschland gängige
Vorstellung vom schwerfälligen , mit einem schlecht sitzenden Salonsteirer uniformierten Alpenländer
zu unterlaufen.“ ( Oberösterreicher Germanen 1994 , 66 )
381 Schmidt 2000 , 11. Burschenschafter Schmidt weist auch darauf hin , dass die Klausel dem eines Grund-
satzverstoßes verdächtigten Bund „keine wirkliche Chance“ einräume , „sich zu verteidigen“ ( ebd. ). Ein
Vorstoß liberalerer bundesdeutscher Bünde gegen die Klausel in dieser Form scheiterte 1978 : Da die
Einheit des Dachverbandes in „erheblichem und kaum noch reparablem Maße ( … ) gefährdet“ sei , sei
„unbedingte Verbandstreue“ und eine „kompromißlose Einhaltung der Verfassung“ durch alle Bünde
unabdingbar , so die BG in ihrer Reaktion auf das Begehren ( zit. ebd., 10 , Herv. entf. ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619