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III.5 Wandel und Beharrung
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Zunächst ist dabei festzuhalten , dass der Einfluss der Alten Herren nicht von der Be-
reitschaft der Aktiven abgekoppelt werden kann , ihnen Einfluss zuzugestehen. Groß-
zügigkeit in dieser Hinsicht wird nicht nur durch eine spätestens im Bund anerzogene
Grundhaltung des Respekts vor der Autorität des Alters ( und der Kriegsgeneration im
Speziellen ) gefördert , sondern auch durch pragmatische Erwägungen. Von einiger Re-
levanz dürfte etwa die Tatsache sein , dass die Alten Herren den Bundbetrieb
– vom Un-
terhalt des Hauses ( so vorhanden ) bis hin zu den Bierlieferungen
– durch ihre finanzi-
ellen Beiträge erst ermöglichen und burschenschaftliche Tätigkeit in gewohnter Form
ohne ihren Rückhalt ihrer infrastrukturellen Grundlagen verlustig ginge. Für den ein-
zelnen Aktiven mag etwa die Verfügbarkeit eines meist weit unter Marktpreisen an-
gebotenen Studentenzimmers in universitätsnaher Lage an das Wohlwollen der Alt-
vorderen gebunden sein. Diese Abhängigkeit , möglicherweise in Verbindung mit einer
daraus motivierten Haltung der Dankbarkeit , bietet offener Konfliktaustragung einen
eindeutig negativen Anreiz.464 Die internalisierte Selbstkontrolle der Aktiven stellt un-
ter den Faktoren effektiver Altherren-Mitbestimmung kaum den unbedeutendsten dar.
Ihr gegenüber steht die direkte Einflussnahme , deren formalisierte Form in entspre-
chenden Mitwirkungsrechten an der bundinternen Willensbildung besteht. Letztere
vollzieht sich satzungsgemäß auf den während des Studienjahrs mindestens monatlich
abgehaltenen Burschenconventen ( BC ) und dem meist jährlich stattfindenden Allge-
meinen oder General-Convent ( GC ). Während in letztgenanntem Gremium standard-
mäßig alle Vollmitglieder ( Burschen und Alte Herren ) stimmberechtigt sind465 , wird das
Stimmrecht am BC in Österreich uneinheitlich gehandhabt. Dass dem Vernehmen nach
die „meisten“ österreichischen Bünde ihren Alten Herren ein „Stimmrecht im aktiven
Konvent“ einräumten , rief in Deutschland , wo auf eine klarere Trennung von Burschen-
und Altherrenschaft Wert gelegt wird ( vgl. Abschnitt III.4.2 ) schon in den 1960er-Jah-
ren Missfallen hervor.466 Jedenfalls bei den Olympen bestand ( und besteht ) diese Mit-
464 Umgekehrt lässt sich ein nicht zu unterschätzendes Druckmittel der Aktiven gegenüber den Alten Her-
ren darin erblicken , dass Letztere an erfolgreicher Rekrutierung , einem regen Bundbetrieb und einer
präsentablen , engagierten Aktivitas interessiert sind. Zum einen mehrt all dies das Ansehen des Bun-
des in verbindungsstudentischen Kreisen , zum anderen garantiert es seine Zukunft und hält damit für
die Alten ein Stück emotionaler Heimat lebendig.
465 Da dem GC üblicherweise als „( o )berste( m ) beschließende( n ) Organ“ die Entscheidungen von größ-
ter Reichweite vorbehalten sind , dem BC dagegen jene über den „laufende( n ) Betrieb“ ( AVSt , Süd-
mark 1972 , 8 [ § 29 ] bzw. 27 ) und jeder Bund
– außer Neugründungen
– über deutlich mehr Alte Herren
als studentische Mitglieder verfügt , ergibt sich hieraus bereits ein deutliches Übergewicht der Ersteren.
Wenn nun etwa Olympia Wien gemäß § 11 ihrer Satzung für Grundsatzänderungen eine Vier-Fünf-
tel-Mehrheit erforderlich macht , kann augenscheinlich keine Aktivengeneration – und trete sie noch
so geschlossen auf
– entsprechende Änderungen durchsetzen , ohne zumindest den überwiegenden Teil
der Altherrenschaft auf ihrer Seite zu haben ( vgl. DÖW , Olympia 2006 , 5 ).
466 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ C2 ], Brief der Berliner B ! Germania an den GAVT-Vorsitzenden Dieter Weber
vom 28. 1. 1961.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619