Page - 242 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Image of the Page - 242 -
Text of the Page - 242 -
III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
242
wirkungsmöglichkeit tatsächlich.467 Bei den Linzer Arminen lässt ein Dokument von
1994 zumindest darauf schließen.468 Dem gegenüber stehen nicht nur allgemeine Be-
kenntnisse zur intergenerationellen Achtung der „Selbständigkeit oder Entscheidungs-
freiheit“ der jeweils anderen Seite , sondern auch die explizite Verneinung eines Alther-
ren-Stimmrechts auf Aktiven-Conventen in Festschriften der Wiener Alemannen und
Oberösterreicher Germanen.469 Wintersberger erinnert
– in möglicherweise auf eine Ver-
änderung über die Zeit hinweisendem Widerspruch zu den oben zitierten Angaben – ,
dass Alte Herren auch auf den Burschenconventen der Olympen mangels Stimmrecht
„nicht allzu viel zu reden gehabt“ hätten.470 Die Wiener Südmark
– eine kurzlebige , ge-
meinsame Gründung der Altherrenschaften der Burschenschaften Moldavia , Alemannia
und Silvania Anfang der 1970er-Jahre
– verfolgte offenkundig eine Zwischenlösung.471
Von einiger Aussagekraft erscheint ein Vermerk in der Obergermanen-Chronik , wo-
nach auf ihren Burschenconventen jedenfalls nach 1970 „ein Alter Herr ( … ) eine Aus-
nahme“ gewesen sei , und zwar „wohl im Kontrast zu allen anderen Bünden , in denen die
AHAH [ Alten Herren , Anm. B. W. ] nach wie vor den Ausgang jedes Meinungsaustau-
sches nach Belieben bestimmen können“.472 Diese Einschätzung dürfte übertrieben , da
auch dem Distinktionsbedürfnis der phasenweise innerhalb des Burschenschaftswesens
in Österreich marginalisierten ( und diese Außenseiterrolle auch kultivierenden ) Ober-
österreicher geschuldet sein. Nichtsdestotrotz kann sie immerhin als Indiz für die Nor-
malität eines starken Altherren-Einflusses in Österreich gewertet werden.473 Ohnehin
konnte effektive Kontrolle über die Entwicklung eines Bundes von dessen Alten Her-
467 Vgl. Pawkowicz 1974 , 4 sowie die Satzung des Olympen-Vereins ( DÖW , Olympia 2006 ). Diese defi-
niert den BC als „Versammlung aktiver Burschen zum Zwecke der gesamten Leitung und Verwaltung
der Verbindung“ ( S. 6 [ § 15 ]), hält aber zugleich fest , dass „alle ordentlichen Mitglieder“ teilnahme-
berechtigt seien ( ebd., 7 ). Dazu zählen gemäß § 4 auch Alte Herren ( vgl. ebd., 2 ). In § 8 werden die-
sen schließlich „die gleichen Rechte wie ( den ) ordentlichen Mitglieder( n )“ mit Ausnahme des passi-
ven Wahlrechts zugewiesen , also auch das Stimm- und Antragsrecht auf Burschenconventen ( ebd., 3 ).
Eine Anfrage an die Verbindung im Sinne der Aufklärung dieser Widersprüche blieb ohne Antwort.
468 Es handelt sich dabei um ein internes Rundschreiben , in dem „Bundesobmann“ Wolfgang Kitzmüller die
Alten Herren auffordert , wenigstens einmal monatlich den ( offensichtlich in höherer Frequenz abgehal-
tenen ) Convent zu besuchen , um dort „die Bundlinie mitzugestalten“ ( Arminenbrief , Sommersemester
1994 , 1 ). Auch die Arminen ließen eine Anfrage des Verfasser um diesbezügliche Klärung unbeantwortet.
469 AVSt , Deutsche Burschenschaft 1961 , 6 ( ähnlich : DÖW , WKR-Folder 1991 , o.
S. ) bzw. Alemannia 1962 ,
25 und Oberösterreicher Germanen 1994 , 91. Dessen ungeachtet hielten auch letztere die enge Verbun-
denheit von Jung und Alt hoch ( vgl. etwa Oberösterreicher Germanen 1967 , 137 ).
470 Interview vom 4. 1. 2012.
471 Alte Herren waren hier auf dem BC nicht stimmberechtigt , wohl aber laut § 27 der Satzung die Mit-
glieder des Leitungsausschusses , der sich ( gemäß § 43 ) mehrheitlich aus solchen rekrutierte ( vgl. AVSt ,
Südmark 1972 , 8 u. 10. ).
472 Oberösterreicher Germanen 1994 , 22.
473 Auch Cerwinka – dem zufolge die österreichischen Bünde ( auch ) aktuell die Regelung von Sitz und
Stimme am BC unterschiedlich handhabten – stützte im Interview vom 1. 7. 2011 diese Annahme.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619