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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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lage der vereinzelten Auflösungen von Verbindungen ( ihre Enttarnung als illegale na-
tionalsozialistische Zellen ) zu verschleiern , als sie zu fassen. Die ‚Auflösung‘ der völki-
schen Verbindungen 1938 schließlich lag weniger in der zu demokratischen Verfasstheit
der teilweise schon Jahre zuvor aus eigenem Antrieb auf Führerprinzip umgestellten
Bünde begründet als vielmehr in der generell fehlenden Bereitschaft des Regimes , ir-
gendeine Organisierung außerhalb seiner eigenen Strukturen zu tolerieren. Dement-
sprechend bot es den ihm ideologisch eng verwandten völkischen Bünden , anders als
den katholischen und liberalen , die Eingliederung in das organisatorische Gefüge der
Staatspartei an ( vgl. auch Kapitel II.1 ).
Jenseits der Geschichtsklitterung ist das Flugblatt interessant , weil es die oppositio-
nelle Mentalität der Burschenschaften in Österreich sowie die
– bei aller historiographi-
schen Waghalsigkeit
– unleugbare Verankerung dieser Mentalität in der burschenschaft-
lichen Geschichte widerspiegelt. Schon auf einer rein lexikalisch-semantischen Ebene
treten Standhaftigkeit ( „unbeugsam[ ]“ ), Widerständigkeit ( „Widerstand“, „unbequem“,
„Revolutionäre“ ), Opfergestus ( „gehaßt“, „bekämpft“, „verboten“, „ausgegrenzt“ ) sowie
die Reklamierung eines Minderheitenstatus ( „[ a ]lle Köpfe“ vs. „unbeugsamer Haufen“ )
als Grundzutaten burschenschaftlicher Selbstwahrnehmung und -darstellung zutage.
Dass das Bild der chronisch oppositionellen und daher dauerverfolgten Minderheit
selbst Burschenschaftern nur unter umfangreichen Auslassungen , Umdeutungen und
Erfindungen518 vermittelbar erscheint , macht es als Inszenierung kenntlich.
Bekennermut und Bekenntnisdrang
Was die Selbstdarstellungen von Burschenschaftern als Verfolgte betrifft , so haben diese
über die vergangenen Jahrzehnte wohl an realer Grundlage , kaum jedoch an Larmoyanz
verloren. In den ersten Nachkriegsjahrzehnten wurde etwa Fritz Stüber nicht müde
zu betonen , „welche Nachteile und Einbußen , ja Gefahren , jeder oppositionell Einge-
stellte“ im proporzdemokratischen Österreich auf sich nehme519
– und erwarb sich im
harten ideologisierten Kern des völkischen Lagers gerade ob seiner unbedingten Hal-
tung bis heute großes Ansehen. Seine Stimmenthaltung bei der Abstimmung über den
Staatsvertrag 1955 im österreichischen Nationalrat ( als einziger Abgeordneter votierte
518 Hier wäre etwa die dramatische abschließende Absage des WKR an ein „Verbot der Burschenschaften“
zu nennen – eine Forderung , die zum Zeitpunkt ihrer Zurückweisung in Österreich von keiner Grup-
pierung irgendwelcher politischen Relevanz erhoben oder öffentlich diskutiert wurde und damit den
burschenschaftlichen Hang zur Selbststilisierung als Opfer bzw. Verfolgte unterstreicht.
519 Burschenschaftliche Blätter Nr. 4 / 1954 , 104. Ähnlich beschreibt Aldania die Situation zur Restaurations-
phase : „Die Zugehörigkeit zu einer akademischen Korporation erforderte viel persönlichen Mut und
die Bereitschaft , eventuelle Schwierigkeiten aus Liebe zu unserem Volk und Land in Kauf zu nehmen.“
( Aldania 1994 , 158 f. )
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619