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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Für das Verständnis des burschenschaftlichen Führungsanspruches zentral ist die
im obigen Zitat bereits angeklungene Sichtweise , dass die Erduldung von Härte durch
den Burschenschafter und seine Unterwerfung unter äußere Autoritäten ihm das Recht
verleihen , Härte auch gegen andere zu üben und diese seiner eigenen Autorität zu un-
terwerfen.571 Dementsprechend weist Schiedel darauf hin , dass „in narzisstischen oder
homosozialen Gruppen wie etwa den Burschenschaften der Mann nicht nur zum Un-
tertan , sondern auch und vor allem zum Führer sozialisiert“ werde – und zitiert dazu
die rhetorische Frage des Olympen und FPÖ-Nationalratsabgeordneten Harald Ste-
fan von 2010 , ob es nicht „Teil unserer weltanschaulichen Ausrichtung“ sei , „sich selbst
als geborenen Anführer zu verstehen“.572 Das Verhältnis von Führung und ( Selbst-)
Unterwerfung bringt Stefans langjähriger Freund und Parteikollege Heinz-Christian
Strache auf den Punkt , wenn er meint , die ( Pennal-)Burschenschaft sei für ihn „eine
Schule“ gewesen ,
denn ganz generell muß man im Leben fähig sein , sich unterzuordnen und in einer Gemein-
schaft seine Aufgaben zu übernehmen und dann durch deren Erfüllung letztlich zu bestäti-
gen , daß man Führungsqualitäten hat. Zuerst muß man sich unterordnen und , wenn man so
will , auch dienen , um später auch eine Führungsrolle übernehmen zu können.573
Die eigene Aufwertung aufgrund vermeintlicher moralischer Superiorität macht , wie
der Teutonen-Chronist 1968 in bemerkenswerter Offenheit dokumentierte , die Ab-
wertung anderer erforderlich : „( W )ir wollen , wie einst die Jenenser Burschen von 1815 ,
die verachten , die nicht opfern können und wollen , die , deren Gott der Bauch ist.“574
In elitensoziologischer Hinsicht verbinden sich in der burschenschaftlichen Be-
gründung eines Führungsanspruches leistungs- und wertelitaristische Motive. Stim-
mer zufolge legten die bundhaften Eliten der verschiedenen Lager bereits in der Ersten
Republik eine „ausgeprägte Fähigkeit zur flexiblen Kombination von ( … ) werthaft-re-
präsentativen ( … ) Rollen mit funktional-technokratischen Karriere- und Qualifika-
571 Vgl. dazu die berühmten Zeilen Theodor W. Adornos : „Die Vorstellung , Männlichkeit bestehe in ei-
nem Höchstmaß an Ertragenkönnen , wurde längst zum Deckbild eines Masochismus , der ( … ) mit dem
Sadismus nur allzu leicht sich zusammenfindet. Das gepriesene Hart-Sein , zu dem da [ in der „traditi-
onellen Erziehung“, Anm. B. W. ] erzogen werden soll , bedeutet Gleichgültigkeit gegen den Schmerz
schlechthin. Dabei wird zwischen dem eigenen und dem anderer gar nicht einmal so sehr fest unter-
schieden. Wer hart gegen sich ist , erkauft sich das Recht , hart auch gegen andere zu sein , und rächt sich
für den Schmerz , dessen Regungen er nicht zeigen durfte“ ( Adorno 2003b , 682 ).
572 ( Zit. n. ) Schiedel 2011 , 23.
573 Mölzer/Strache 2006 , 33.
574 Teutonia 1968 , 114.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619