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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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wie ( Carl ) Theodor Körner , Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn „Volksge-
meinschaft höher als Landesherrschaft und Standesunterschiede“.580 Das Volksgemein-
schafts-Ideologem entwirft Volk als formierte Masse von Identischen und in diesem
Sinne auch Gleichen. Klassengegensätze werden „in bloße Unterschiede ( verwandelt ),
die schließlich ( … ) in Äquivalenz gebracht werden“.581 Die volksgemeinschaftliche Ver-
sion der Gleichheit schließt elitaristische Anwandlungen jedoch nicht aus , sondern hat
diese als fixe Begleiter : Auch das sich seiner selbst bewusste Volk wollte in burschen-
schaftlicher Sicht ( die in diesem Punkt von der nationalsozialistischen nicht zu unter-
scheiden ist ) geführt werden. Während Klassengegensätze geleugnet und Standesdün-
kel ( jedenfalls rhetorisch ) zurückgewiesen wurden , blieb das Prinzip der Herrschaft
weniger über viele unangetastet. Die ‚Innovation‘ bestand lediglich darin , diese Herr-
schaft als Ausdruck eines vermeintlichen allgemeinen Volkswillens zu camouflieren ,
der von den zur Führung Berufenen allein zu erkennen und zu exekutieren sei. „Ist das
Volk zum ( … ) Kollektivsubjekt erklärt , braucht es jemanden , der seinen einheit lichen
Willen erkennt und artikuliert – die männliche( n ) Elite( n ).“582 Die Verknüpfung von
( Funktions-)Elite und Männlichkeit erfolgt dabei nicht willkürlich , sondern wird als
notwendige gedacht , wie in Abschnitt III.8.4 noch näher ausgeführt werden soll.
Anspruch und Wirklichkeit
So sehr die Burschenschaften in Österreich nach 1945 ihr Elitenbewusstsein zu kulti-
vieren suchten , so wenig konnte nüchternen Geistern auf Dauer entgehen , wie frag-
würdig der elitäre Anspruch auf mehreren Ebenen geworden war.583 Seine Herausfor-
derung bzw. Kränkung durch die tatsächliche politische Bedeutungslosigkeit der Bünde
und durch die relative Entwertung akademischer Bildung als Elitenausweis infolge ih-
rer Ausweitung konnte , wie dargestellt , unter Betonung von Kompetenz und Tugend-
haftigkeit in Kombination mit einer identitätspolitischen Übernahme der Paria-Rolle
sche Volks- und Kulturgemeinschaft“
/
„Kultur- und Volksgemeinschaft“ ( Aldania 1994 , 5 bzw. 176 ). Vgl.
hierzu auch den folgenden Abschnitt III.7.
580 Aldania 1994 , 9.
581 Haug 1980 , 73. Vgl. Bosch 1980 , v. a. 115–119. Zur Zerstörung der Volksgemeinschaft durch Klassenkampf
vgl. Alemannia 1962 , 7 oder Günther Paul ( Leder Leoben ) in den Burschenschaftlichen Blättern Nr. 4 / 1977
[ Juni ], 96 f. Der RFS transponierte dieses Denken von der Gesamtgesellschaft auf die Hochschulebene ,
indem er sich gegen einen „Klassenkampf zwischen Studenten und Professoren“ und für die „Gemein-
schaft zwischen allen Hochschulangehörigen“ aussprach ( Der Ring Nr. 1 / 1976 , 3 ).
582 Schiedel 2007 , 33. Zur Gleichzeitigkeit von anti-elitärer Rhetorik und der Maximierung von Herrschaft
im Volksgemeinschafts-Denken vgl. Bosch 1980 , ( v. a. ) 127 f.
583 Die Infragestellung der reklamierten moralischen Führerschaft des Burschenschafters durch dessen Ein-
lassung mit dem Nationalsozialismus sei hierbei gar nicht angesprochen – und wurde , jedenfalls in ex-
pliziter Weise , von Burschenschaftern auch kaum thematisiert.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619