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III.8 Burschenschaften und Demokratie
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deln( s )“ befördere , während der realsozialistische Staat seiner Jugend „Ideale gäbe“.752
Diese Position mag angesichts der unüblichen Parteinahme eines Burschenschafters für
den real existierenden Sozialismus verblüffen , gibt allerdings ein durchaus charakteris-
tisches Unbehagen am westlichen Gesellschaftsmodell wieder ; ein Unbehagen , das –
wie im vorliegenden Fall
– auch in einer gewissen Wertschätzung gegenüber autoritä-
ren , doch immerhin Ideale hochhaltenden Regimen Ausdruck finden konnte. Im Jahr
zuvor hatte ein anderer Liberte , Kurt Gallé , DDR und BRD gleichermaßen in die Kri-
tik genommen : Was Ersterer der „Kommunismus“, seien Letzterer „Amerikanismus“
und „Materialismus“. Gärtner wiederum beginnt seine Aufzählung jener „Strömungen“,
gegen welche sich die Burschenschaften im Laufe ihrer Geschichte hätten „wehren“
müssen , mit dem Liberalismus und beendet sie mit der „Umerziehung nach amerika-
nischer Art“.753 Mühlwerth schließlich konstatiert auf derselben Linie , dass „die De-
mokratie , wie man sie uns vorexerziert , ( … ) nicht dazu angetan ( war ), uns geistig frei
zu machen , im Gegenteile , wir sind heute von allen möglichen Einflüssen , nicht zu-
letzt von der Wohlstandssucht , abhängiger denn je“.754
Die in diesen Aussagen zum Ausdruck gelangende Reserviertheit gegenüber der li-
beralen Parteiendemokratie wirft die Frage auf , welches Modell diesem gegenüber-
gestellt werden soll. Hierauf lässt sich mangels entsprechender Aussagen repräsenta-
tiven Charakters keine klare Antwort geben. Bei Otto Scrinzi
– nicht Burschenschafter ,
sondern Vereinsstudent
– mündet die Verneinung des Gleichheitspostulats in ein Plä-
doyer für eine „elitäre Demokratie“, in der einerseits für „besondere ( … ) Leistungen“
Stimmzuschläge gewährt werden , andererseits „sozial schädliche( n )“ BürgerInnen das
Stimmrecht überhaupt entzogen werden soll.755 Noch 2011 machte Scrinzi sich in der
Aula für die Ersetzung der „egalitäre( n ) Parteiendemokratie , die so viele Antieliten
nach oben geschwemmt hat , durch eine verantwortungsbewußte , elitäre Demokratie“
stark.756 Wenngleich aus solchen Beispielen nicht umstandslos auf burschenschaftliche
Mehrheitsmeinungen geschlossen werden kann , stehen sie doch exemplarisch für ein
spezifisches ( völkisches ) Verständnis von Volksherrschaft : ‚Demokratische‘ Willensbil-
dung erfolgt dabei nicht , wie in der liberalen Vorstellung , „als individueller Akt ( von
Gleichen ), sondern als kollektiver ( von Identischen ). ( … ) Ist das Volk zum ‚Organis-
752 Paraphrasiert in Libertas 1967 , 142. Im selben Jahr legte das Ostmarkenkartell gemeinsam mit den Liber-
ten per Antrag im ADC Einspruch dagegen ein , dass der von England und den USA „vertretene demo-
kratische Gedanke ( von weiten Kreisen ) als der einzig richtige und zulässige betrachtet“ werde ( BAK ,
DB 9 , E. 4 [ B1 ], Dringlichkeitsantrag D zum ord. ADC-Tag 1958 , Beilage zu ADC-Rundschreiben
Nr. 8 [ Albia ] vom 14. 4. 1958 , 2 ).
753 Alemannia 1962 , 2.
754 Teutonia 1968 , 115.
755 Zit. n. Schiedel 2007 , 33.
756 Aula Nr. 3/2011 , 6.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619