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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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– so etwa im für das vorliegende Buch titelgebenden Zitat Norbert Gugerbauers
–
wird Österreich aufgrund seiner NachbarInnenschaft zu majoritär romanischen , sla-
wischen bzw. ugrischen Sprachräumen insgesamt als ‚Grenzland‘ verstanden. Oberstes
Ziel von Grenzlandarbeit ist es , „Deutsche vor dem Verlust ihres Volkstums zu schüt-
zen“27 bzw. die von als ‚deutsch‘ eingestuften Menschen bewohnten Gebiete ‚deutsch‘
zu erhalten. Dass dieses Ziel mit dem Hauptinteresse der betroffenen Menschen in
eins falle , dieses Hauptinteresse also darin bestehe , ‚deutsch‘ zu bleiben , wird von bur-
schenschaftlicher Seite schlicht vorausgesetzt , weshalb Grenzlandarbeit grundsätzlich
einen paternalistischen Zugang aufweist. In der gängigen synonymen Rede von der
‚Schutzarbeit‘ kommt dies ebenso zum Ausdruck wie der Umstand , dass selbst aggres-
siver deutsch-völkischer Aktivismus und Irredentismus von deren Protagonisten stets
als Abwehrkampf gedeutet wurden. Als bedroht galt , ungeachtet der Mehrheitsverhält-
nisse ( und der subjektiven Wahrnehmung der Menschen vor Ort ) grundsätzlich deut-
sches Volkstum , als bedrohend das ihm jeweils gegenübergestellte ‚Volk‘ ( von ‚Slawen‘
wie in Kärnten/Koroška bis hin zu ‚Welschen‘ in Südtirol / Alto Adige ). Wo aufseiten
der Bevölkerung im Grenzland keine Bedrohungswahrnehmung herrschte , versuchten
völkische Kreise diese seit jeher zu kreieren , wobei aus den ( Universitäts-)Städten im
Zentralraum zugezogene Bildungseliten eine Schlüsselrolle spielten.28
Die Tradition der burschenschaftlichen Grenzlandarbeit führt ins 19. Jahrhundert
zurück , wo Burschenschafter zentrale Funktionen in völkischen ‚Schutzvereinen‘ wie
dem Deutschen Schulverein und dem Verein Südmark einnahmen. Im Rahmen derselben
entfalteten sie ein breites Spektrum an Aktivitäten gegen ‚Überfremdung‘ und ‚Slavisie-
rung‘ bzw. für die Schaffung und Förderung von ‚Volkstumsbewusstsein‘ – von Schul-
stiftungen bis hin zur völkischen Tourismusförderung.29 Nach 1945 wurden die engen
ten. Grund dafür ist einerseits , dass die entsprechenden Tätigkeiten vielfach vorrangig karitativen Charakter
trugen ; andererseits werden Grenzland- und ‚Volkstumsarbeit‘ eben aufgrund des hohen darauf verwende-
ten Einsatzes und ihrer direkten Herleitung aus völkischen Grundprämissen in der Arbeit gleichsam quer-
schnitthaft behandelt. Insbesondere ist dabei auf das Südtirol-Kapitel ( IV.3 ) zu verweisen : Viel des dort
Gesagten steht pars pro toto für burschenschaftliche Grenzlandarbeit überhaupt. Die Auslagerung der Süd-
tirol-Thematik aus diesem Kapitel trägt dem Umstand Rechnung , dass diesem Fragenkomplex nach 1945
aus Sicht der Burschenschaften in Österreich unter allen ‚Grenzland-Fragen‘ die höchste Priorität zukam.
27 Mölzer 1994c , 216.
28 Vgl. Schmid 2009 , 86–93 , die auch den erfolgreichen Transfer der im Habsburg-Österreich gewobenen
Bedrohungsszenarien und Volkstumskampf-Atmosphäre ins Deutsche Reich nachzeichnet. Eingehen-
der zu den Fragen des Paternalismus und der ( Selbst-)Viktimisierung ( anhand von Südtirol / Alto Adige )
vgl. Abschnitt IV.3.4.
29 Vgl. Berka 1959 , 21–28 und 34–54 ; Mölzer 1994c , 216–221 ; zu Einzelbiographien von Aktivisten Dvorak
1996–2005 ( Biographisches Lexikon ); allgemein zu den völkischen Schutzvereinen in der Monarchie
Schmid 2009 ( v. a. Kapitel 3.1 ), Judson 2006 und Puschner 2001 , 106–115. Der Beginn burschenschaft-
licher Grenzlandarbeit kann mit der ( Mölzer 1994c , 216 zufolge ausschließlich von Burschenschaftern
durchgeführten ) Gründung des Deutschen Schulvereins in Wien 1880 angesetzt werden und ist seinerseits
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619