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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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• Anstelle des klassischen Rassismus , der Menschen nach biologischen Kriterien zu
Kollektiven gruppiert und diesen unterschiedliche Wertigkeit zuweist , verfechten
‚Neurechte‘ einen Ethnopluralismus , der sich rhetorisch zur Gleichwertigkeit der nun
‚kulturell‘ bestimmten Kollektive bekennt , gleichzeitig aber auf ihrer vermeintlich
unhintergehbaren Unterschiedlichkeit beharrt und ihre ‚Vermischung‘ als schädlich
ansieht. Diese Modernisierung des Rassismus ist – im Einklang mit großen Teilen
der auf Salonfähigkeit bedachten extremen Rechten nach 1945
– auch von den Bur-
schenschaften in Österreich nach 1945 , jedenfalls nach außen hin , ansatzweise voll-
zogen worden.294 Die Inkonsistenz dieser Anpassungsleistung lässt sich gleichwohl
anhand einer Vielzahl von Beispielen aufzeigen.295
Diese Aufzählung macht zum einen deutlich , weshalb die ‚Neue Rechte‘ in burschen-
schaftlichen Kreisen in Österreich bis heute nicht Fuß fassen konnte , zum anderen aber
auch , dass ihre Postulate durchaus zu einem gewissen Grad in diese Kreise einsickern
konnten. Ablesen lässt sich dies auch anhand einer Reihe mehr oder weniger implizi-
ter Anknüpfungen an ‚neurechte‘ Vorgaben , wie etwa bei Waldemar Steiner ( Olympia ).
Dieser propagierte 1974 – damals Vizebürgermeister von Salzburg – im Kreise seiner
Bundesbrüder , man möge in Europa einen „neue( n ) Geist“ erwecken , der sich nicht
„im materialistischen Streben“ erschöpfe , sondern „auch immaterielle Werte“ anerkenne.
„Der Feind“ sitze schließlich „heute im inneren“ und könne „nicht in offener Schlacht“,
sondern nur in einem „sehr stillen Kampf“ konfrontiert werden.296 Dass damit ausge-
rechnet ein Parteipolitiker ein metapolitisches Programm vorgab , mag als Ironie erschei-
nen , stellt jedoch keinen Einzelfall dar , wie sich etwa anhand Andreas Mölzers oder
Gustav Jonaks zeigen lässt. Letzterer hatte ein Jahr vor Steiner im Kreise seiner Inns-
brucker Germanen und u. a. unter Berufung auf Spengler einen „moderne( n ) Konser-
vativismus“ propagiert , der sich
– ganz im ‚neurechten‘ Sinne
– in seinem Geschichts-
bild von jüdischen , christlichen und cartesianischen Einflüssen lösen müsse. Ebenfalls
im Einklang mit ‚neurechter‘ Dogmatik hatte Jonak den „Fortschrittsliberalismus“ als
Hauptfeind identifiziert und ihm sowohl „Konfessionalismus“ als auch „Marxismus“
als „Spielarten“ zugeordnet. Aufgabe der Burschenschaften sei es , im Sinne der „Er-
294 Zu ethnopluralistischen Anwandlungen in der Deutschen Burschenschaft vgl. Heither 2004 , 128 f.
295 Vgl. etwa Peham 2012 oder Gruppe AuA ! 2009 , 87 f.
296 Vgl. Steiner 1974 , 13 bzw. 12. Auf demselben Stiftungsfest wurde vom Wiener Moldaven Wilhelm Figl
auch bereits gegen „Meinungsterror“ Stellung bezogen und selbiger zum Ansatzpunkt burschenschaft-
licher Betätigung erklärt : Angesichts „ruchlose( r ) Manipulation“ der Massen hätten die Burschenschaf-
ter „in vorderster Reihe zu stehen“, wo immer es gelte , „gegen den Meinungsterror Dinge und Werte
ins richtige Licht zu rücken und Mahner in unbequemen Dingen zu sein“ ( Figl 1974 , 6 ). Neben ver-
wandten Kampfbegriffen wie ‚Gesinnungsterror‘ , ‚political correctness‘ oder ‚Gutmenschentum‘ konnte
sich der ‚Meinungsterror‘ in den folgenden Jahrzehnten als ein zentrales Motiv burschenschaftlicher
Metapolitik etablieren.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619