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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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zessive rechtliche und faktische Besserstellung der deutschsprachigen Südtirole rInnen
sowie der Stopp jener Entwicklung , die in völkischen Kreisen als „Italianisierung“
wahrgenommen wurde360 , das burschenschaftliche Südtirol-Engagement dämpften ,
behielt die Thematik ihren Sonderstatus bis heute bei. Noch 2009 bekundete Fried-
rich Stefan ( Olympia ), dass Südtirol „den Burschenschaftern ganz besonders am Her-
zen“ liege , während Gerhard Pendl ( Oberösterreicher Germanen ) im Gesamtkontext bur-
schenschaftlicher Betätigung in Österreich „( d )as Kapitel Südtirol“ aufgrund seiner
Bedeutung „besonders hervorgehoben“ betrachtet sehen wollte.361 Dass die Bünde die-
ser beiden Herren – jedenfalls ihrem Rufe nach – zwei Pole des burschenschaftlichen
politischen Spektrums in Österreich verkörpern , unterstreicht den Charakter der Süd-
tirolfrage als verbindendes , konsensual geteiltes Anliegen.
Relativierend lässt sich zur Bedeutung der Thematik für die Burschenschaften in
Öster reich allenfalls der auch in anderen Fällen feststellbare , mitunter schreiende Kon-
trast zwischen rhetorischen Bekenntnissen und ( noch darzustellender ) realer Praxis an-
führen. Auch deuten die Quellen darauf hin , dass in Südtirol-Belangen innerbündisch
und v. a. innerverbandlich ein hohes Maß an Bekenntniszwang herrschte. So wollte
Silvania eine Abstimmung im ADC über eine Südtirol-Resolution 1955 namentlich
durchführen lassen , nachdem ein Bund taktische Bedenken geäußert hatte362 ; Bünde ,
die themeneinschlägige Beschlüsse nicht oder nur teilweise exekutierten , wurden da-
für auf Verbandsebene an den Pranger gestellt363 ; Olympia versah 1961 eine Spenden-
aufforderung an ihre Alten Herren für einen in Italien inhaftierten Bundesbruder mit
einer Ausschlussdrohung bei Zuwiderhandeln ( vgl. Abschnitt IV.3.3 ). All dies legt
Zweifel nahe , inwieweit der offenkundige Südtirol-Enthusiasmus der politischen Klasse
unter Burschenschaftern ( vgl. Kapitel III.2.2 ) von der breiten Masse der Mitglieder ge-
teilt wurde. Dass abweichende Positionierungen existierten , kann mangels feststell barer
Artikulation derselben einmal mehr nur vermutet werden.
Die vorherrschende Herangehensweise der Burschenschaften in Österreich an den
Südtirolkonflikt widerspiegelt das Primat des völkischen Prinzips in der burschen-
schaftlichen Weltsicht : Die heutige italienische Provinz Bozen/Bolzano gilt in die-
ser Per spektive als überhistorisch „Teil unseres Vaterlandes“364 ( ‚Deutschlands‘ ). Um
360 BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], Beilage VI zum DBÖ-Rundschreiben Nr. 4 ( Libertas ) vom Dezember 1964 , 2.
361 F. Stefan 2009 , 11 bzw. Pendl 2009 , 13. Für ähnliche Aussagen zum Stellenwert der Südtirolfrage für die
Burschenschaften in Österreich vgl. etwa Libertas 1967 , 134 f. und BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift
des ADC-Tages 1956 , 5.
362 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1955 , 13.
363 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], ADC-Rundschreiben Nr. 3 ( Alemannia ) vom November 1958 , 3 bzw. BAK ,
DB 9 , E. 4 [ A2 ], Anlage 2 / 1 zur Niederschrift des ( ord. ) DBÖ-Tages 1961 , 1 f.
364 Schweinberger 2009 , 120.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619