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IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik
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pias erteilte einer Hochschulgründung in der Südtiroler Hauptstadt eine „striktest( e )“
Absage , weil die Pläne keine „deutsche( ) Universität“, sondern eine zweisprachige vor-
sahen. Diese aber würde die Südtiroler Jugend im Land halten , anstatt durch ein Stu-
dium in Österreich oder der Bundesrepublik den Kontakt „mit dem Deutschtum“ zu
pflegen , und sie durch renommierte Lehrende unter Umständen sogar zum Besuch ita-
lienischsprachiger Vorlesungen verleiten.487
Nach derselben Logik wurde auch auf anderen Schauplätzen burschenschaftlicher
‚Volkstumsarbeit‘ verfahren. So begründete 1962 der damalige Beauftragte des Volks-
tumsreferenten der DBÖ für Kärnten und die Steiermark ( Gernot Pippan , Carniola
Graz ) die Sinnhaftigkeit materieller Zuwendungen an Schulen im ‚Grenzland‘ nicht
etwa mit dem Ziel der Verbesserung von Bildungs- und Lebenschancen der begünstig-
ten Schulkinder , sondern damit , dass diese sich dereinst „der alljährlichen Unterstüt-
zung erinnern und diese auch zu würdigen wissen“ würden. „Die Wahrscheinlichkeit ,
dass z. B. Kinder slowenisch-freundliche [ sic ] Eltern sich dann zum deutschen Volks-
tum bekennen , ist meiner Meinung nach verhältnismäßig groß.“488 Als wiederum ein
bundesdeutscher Burschenschafter in einer Rede im Rahmen eines DB-Kommerses
1990 argumentierte , dass es für „die Deutschen jenseits der Oder-Neiße-Grenze“ wich-
tiger sei , unter einer „freiheitliche( n ) Ordnung und in wirtschaftlich guten Verhältnis-
sen“ zu leben als irgendwelche Grenzrevisionen zu erwirken , handelte er sich scharfe
Kritik von österreichischer Seite ein : Die „Absicht der Abtretung deutschen Staats-
gebietes“ bedeute „Verrat an der ( … ) burschenschaftlichen Revolution der Beharrlich-
keit“, so Hanns Göttl von den Grazer Allemannen.489
Neben der Indifferenz völkischer Kreise gegenüber den realen Interessenlagen der
Menschen in den betroffenen Gebieten und ihrem Desinteresse an einer friedlichen Ko-
existenz der Volksgruppen dortselbst verdeutlichen diese Beispiele auch , in welch pa-
ternalistischer Weise die Burschenschaften Österreichs den „unter italienischem Joch
schmachtenden Volksgenossen“490 und sonstigen Objekten ihrer Solidarisierung gegen-
übertraten. Die burschenschaftliche Selbstwahrnehmung als geistige und Wertelite des
‚deutschen Volkes‘ ging offenbar mit der Überzeugung einher , besser als die tatsächlich
Betroffenen vor Ort zu wissen , unter welchen Missständen diese litten und wie diesen
Missständen beizukommen sei. So erachtete der Südtirolreferent der DBÖ 1963 / 1964 ,
Wolfdieter Stühlinger ( Suevia ), es als vordringlich , „den Südtirolern selbst ihr Problem
augenscheinlich näherzubringen“, da „ein Teil der deutschen Bevölkerung über die Aus-
wirkungen der Italianisierung gar nicht Bescheid weiß“. Um die SüdtirolerInnen über
487 Ebd., 27.
488 BAK , DB 9 , E. 4 [ A3 ], Anlage 1/4 zur Niederschrift des DBÖ-Tages 1962 , 4.
489 Burschenschaftliche Blätter Nr. 4 / 1991 , 93.
490 Die Formulierung entstammt einem Antrag von Brixia , Teutonia Wien und Frankonia Graz von 1958
( BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Anlage 1 zur Niederschrift des ord. ADC-Tages 1958 , 5 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619