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V. Burschenschaften und politische Parteien
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deutsche ist“, wurde prompt zur Titelzeile erhoben : „Da hab’ ich Probleme …“. Auch
mit dem Abdruck des Deutschtumsbekenntnisses aus dem damals gültigen FPÖ-Par-
teiprogramm direkt neben Grassers Interview setzte die Redaktion ein wenig subtiles
Statement.199
Haider sah sich unterdessen durch anhaltende Wahlerfolge offenkundig in seinem
Kurs bestätigt und verzichtete zunehmend auf Rücksichtnahmen auf den völkischen
Parteikern und dessen Empfindsamkeiten. Sein Streben , die FPÖ zur Massenpartei zu
machen , sein „gewaltiger österreichischer Patriotismus“ und das „Zurückschrauben des
alten liberalen Antiklerikalismus“ hätten ihn
– so Sigurd Scheichl
– in den 1990er-Jah-
ren vielen Burschenschaftern „geradezu als Gegenpol zur burschenschaftlichen Poli-
tik“ erscheinen lassen.200 Dennoch wollte vorerst keine der beiden Seiten einen offenen
Bruch riskieren. Haider zeigte sich vielmehr bestrebt , das Milieu , aus dem er kam und
das ihn groß gemacht hatte , mit sporadisch eingestreuten Positivgesten bei der Stange
zu halten. Vor diesem Hintergrund diente die Bestellung Mölzers zum freiheitlichen
Grundsatzreferenten und FBW-Gesamtverantwortlichen 1991 nach Falkenbergs Be-
urteilung nicht zuletzt dazu , die zu diesem Zeitpunkt bereits „durch Haiders Personal-
politik frustrierten Deutschnationalen zu befrieden“201 – nur , um Mölzer 1993 wieder
zu demontieren. 1995 erklärte Haider – im zeitlichen Umfeld rechtsextremer ( Brief-)
Bombenattentate und der Verurteilung des Aula-Schriftleiters wegen Holocaustleug-
nung
– öffentlich „jedes Element der Deutschtümelei in der FPÖ“ für überholt.202 Im
Jahr darauf hielt er die Festrede am Stiftungsfest seiner Burschenschaft Silvania , nahm
deren Ehrenband entgegen und bekräftigte laut Bericht der Jungen Freiheit „im tradi-
tionellen Schwur erneut ( … ), für die Erhaltung des deutschen Volkstums zu stehen“.203
Diese Taktik alternierender Abstoßung und Annäherung erwies sich als erfolgreich –
jedenfalls blieb ein Aufstand des völkischen Flügels trotz Haiders offener Suche nach
einer ‚befreiten Zukunft jenseits von links und rechts‘204 aus , solange der charismatische
Führer ( im Weber’schen Sinne ) selbst an der Parteispitze stand und sich regelmäßige
Wahlerfolge einstellten. Neben diesen Erfolgen und dem damit einhergehenden politi-
schen Relevanzgewinn ‚freiheitlicher‘ Kreise insgesamt waren Scheichl zufolge fortbe-
stehende inhaltliche Überschneidungen ( Scheichl nennt die „Ausländerthematik“ und
die „erstarrten Strukturen der Großen Koalition“ ) sowie die Wahrnehmung Haiders
199 Aula Nr. 9 / 1993 , 10. Ein höheres Maß an Übereinstimmung mit der Aula-Linie stellte Grasser dagegen
–
auch darin durchaus repräsentativ für die ‚Buberlpartie‘
– in migrationspolitischen Fragen unter Beweis.
200 Interview mit Scheichl vom 8. 6. 2012.
201 Falkenberg 1997 , 109.
202 Haider im Interview mit der Wirtschaftswoche vom 17. 8. 1995. Vgl. zur Kontextualisierung Peham 2012 ,
8 f.
203 Junge Freiheit Nr. 47 / 1996 , zit. n. trend Nr. 4/2000 , 61 ( dort tlw. fett ).
204 So der Untertitel von Haiders zweiter Monographie – vgl. Haider 1997.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619