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VI. Abschließende Überlegungen
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Wellen täler getragen.“62 In mancherlei Hinsicht war der in den völkischen Verbindun-
gen kultivierte Ethos für eine Partei , die sich wesentlich auf Korporierte stützte bzw.
stützen musste , somit durchaus funktional – wobei diese Funktionalität im Sinne von
Parteiinteressen nicht mit den grundlegenden Anforderungen demokratischer Prozesse
verwechselt werden sollte.
Als durchaus dysfunktional erwies sich dagegen der von Burschenschafter-Politikern
oft an den Tag gelegte Bekenntnisdrang
– die Verweigerung des Kompromisses auch im
Sinne der Nicht-Artikulation inopportuner Anschauungen , wenn das burschenschaft-
liche Gewissen ( oder die Erwartungshaltung der Gesinnungsfreunde ) anderes auftrug.
Was von Außenstehenden bisweilen als Ausdruck einer Überordnung der Emotion über
die Ratio wahrgenommen wird63 , erscheint dem Burschenschafter selbst als Ausweis
von Ehren- und Mannhaftigkeit. So kann er nicht schweigen , auch und gerade dann
nicht , wenn die politische Vernunft es nahelegen würde , und gibt der Rolle eines ( in
eigener Wahrnehmung ) Märtyrers der Wahrhaftigkeit im Fall des Falles auch den Vor-
zug vor parteipolitischem Erfolg und eigenen Karriereinteressen.64 Entgegen Höbelts
an die Burschenschafter adressiertem Ratschlag , „sich nicht selbst ständig so offensiv
zu vermarkten“65 , ist allerdings festzuhalten , dass etwa Bekenntnisse zu Österreich als
‚deutschem‘ Staat vonseiten burschenschaftlicher FPÖ-Funktionäre jedenfalls in jünge-
rer Vergangenheit meist auf gezielte Nachfrage von JournalistInnen-Seite hin zustande
kommen. Der gerade unter parteipolitisch aktiven Burschenschaftern durchaus vorhan-
dene Pragmatismus hält zum Verzicht auf proaktives Bekennen an , stößt jedoch dort
62 Ebd., 141 f. ( Zitate : 141 ).
63 So etwa von Peter 1998 , 142. Tatsächlich findet in der Gefühlsbetontheit burschenschaftlicher Poli-
tik die überschwängliche Tradition der deutschen Aufklärung ebenso Niederschlag wie der generelle
konservative Hang zum Irrationalismus ( respektive das konservative Ressentiment gegen die Ratio-
nalität ) – vgl. zu letztgenanntem Aspekt Lenk 1994b , 123 und 143–145 sowie Fritzsche 1998 , 273 und
286. In den österreichischen Bünden war der Hang zur Emotionalität besonders ausgeprägt , folgt
man der Darstellung Herwig Bücheles ( damals Brixia ). Dieser warb 1960 für die Fusion von DB und
DBÖ mit den Synergien , die sich dadurch realisieren ließen : So brächten die bundesdeutschen Bur-
schenschafter „ein gewisses Quantum mehr an ratio , die DBÖ ein gewisses Quantum mehr an emo-
tio als Unterpfand mit“ ( BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr. 23 / 1969 [ Vorort Bremen ],
12 ). Der Oberösterreicher Germane Günter Hauska sprach sich demgegenüber in einem Brief an seine
Bundesbrüder vom 26. 10. 1981 gegen ein „Primat der Emotionen über die Vernunft“ aus ( wiedergege-
ben in Oberösterreicher Germanen 1994 , 106 ).
64 Vgl. beispielhaft die erwähnte Schmähung Harald Stefans ( Olympia ) durch die Wiener Teutonen , de-
ren Mitglied Jan Ackermeier Stefan 2010 wegen öffentlich gewordener rechtsextremer Verwicklungen
als parlamentarischen Mitarbeiter entlassen hatte : Man lehne den „Umgang mit Burschenschaftern“ ab ,
„die aus persönlichem Vorteilsdenken handeln“ ( zit. n. http://www.stopptdierechten.at/2010/10/23/bur-
schis-im-stellungskampf , Artikel vom 23. 10. 2010 ).
65 Im Interview mit derstandard.at vom 10. 5. 2011 , abrufbar unter http://derstandard.at/1304551420897/der-
Standardat-Interview-Stellenwert-der-Burschenschafter-wird-ueberschaetzt.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619