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Kirche und Habitus im »Christlichen
Ständestaat«158
litischen Auseinandersetzungen bewusst, welches problematische Bild die offizielle
Parteiergreifung von Klerikern in der Öffentlichkeit abgeben musste.
Die ersten Reaktionen auf den Geheimerlass sind beschwichtigend. Einige Pfarrer
beteuerten, das Prinzip politischer Neutralität aufrichtig ernst zu nehmen. Aus der
Pfarre Eisenkappel langte bereits wenige Tage nach dem Geheimerlass folgendes
Schreiben ein :
Die politischen Verhältnisse sind zwar im Markte sehr zugespitzt und es ist wiederholt zu
gefährlichen Zwischenfällen gekommen, doch wurde dabei eine kirchenfeindliche Hetze
nicht bemerkt. Gefertigter war stets bestrebt, als Seelsorger allen zu dienen und durch
persönlichen Kontakt mit den pol. Gegnern Weiterungen zu verhindern.140
Der Seelsorger der Pfarre Kraßnitz im Gurktal versichert ebenso, dass er sich »von
Anfang an grundsätzlich von der Politik fern gehalten [habe], sicherlich nicht zum
Schaden der Seelsorge, und er glaubt versichern zu können, daß er das Vertrauen
aller Pfarrkinder besitzt.«141
Auf dieselbe Weise beteuert auch ein Pfarrer aus dem benachbarten Görtschitztal,
er »mischt sich, um so die religiösen Gefühle keines Pfarrkindes zu verletzen, grund-
sätzlich in keine Politik ein.«142 Der durch behördliches Einschreiten in Verdacht
der politischen Intervention geratene Pfarrer von Ottmanach (Magdalensberg) ver-
sichert gleichfalls seine Unschuld :
Die Gendarmerie hat wegen [nationalsozialistischen] Umtrieben Erhebungen gepflogen
und man hat dann wohl gemeint, daß der Gefertigte eine Anzeige erstattet habe ; jedoch
muß derselbe versichern, daß er sich politisch in keiner Weise betätigt noch weniger eine
Anzeige gemacht hat. Seit den durchgreifenden Maßnahmen der Regierung ist diesbezüg-
lich Ruhe im Ort.143
»Gegner wurden besonders von der Kanzel aus nie provoziert«144, beteuert auch
der Pfarrer aus der Nachbarspfarre St. Donat. Dass die politische Neutralität den
Geistlichen allerdings nicht immer leicht gefallen sein muss, wird in Konflikten mit
konkreter ideologischer Gegnerschaft deutlich, wie sie häufig in den Lehrpersonen
der örtlichen Schulen offen zutage trat. Aus »der politisch sehr urgierten Pfarrge-
meinde Arnoldstein« ging entsprechender Bericht ein :
140 Zechner, A.: Abfallsbewegung Pfarre Eisenkappel (19.07.1933).
141 Ferstl, F.: Abfallbewegung Pfarre Kraßnitz (24.07.1933).
142 Kokoschinegg, J.: Abfallsbewegung Pfarre St. Walburgen (08.08.1933).
143 Adler, G.: Abfallsbewegung Pfarre Ottmanach (30.07.1933).
144 Istel, A.: Abfallsbewegung Pfarre St. Donat (19.08.1933).
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353