Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Die Kirche und die »Kärntner Seele« - Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
Page - 232 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 232 - in Die Kirche und die »Kärntner Seele« - Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938

Image of the Page - 232 -

Image of the Page - 232 - in Die Kirche und die »Kärntner Seele« - Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938

Text of the Page - 232 -

Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis232 Wie stark diese Geschichtskonstruktion auf die realen Machtverhältnisse wirkte, zeigt die Tatsache, dass sich Erzherzog Karl II. von Innerösterreich noch vor sei- nes Vaters Kaiser Ferdinands Tod erstmals seit 150 Jahren wieder der Erbhuldigung durch die Kärntner Stände am Herzogstuhl unterzog – »durch nichts konnten die Stände besser Macht demonstrieren als durch die Erneuerung des mittelalterlichen Fürsteneinsetzungszeremoniells auf dem Zollfeld.«39 Das Zeremoniell am Fürsten- stein jedoch wurde nach langen Verhandlungen nicht mehr durchgeführt – zu er- niedrigend wäre die Befragung für den Habsburger Potentaten durch einen »Her- zogbauern« gewesen.40 Der Fürstenstein blieb dennoch gemeinsam mit dem Herzogstuhl ein wichtiges Zeugnis für das Heimatbewusstsein in Kärnten bis in die Gegenwart. Besondere Be- deutung erhielt er im nationalen Zeitalter, in dem er auch zum Symbol des sloweni- schen Nationalmythos wurde. Die Tatsache, dass die Zeremonie in slawischer Spra- che stattfand und ein Bauer, den man als Synonym für den prototypischen Slowenen deutete, die Einsetzung vornahm, trug im 19. Jahrhundert wesentlich zur Bildung eines nationalen Mythos der Slowenen rund um das Zollfeld bei. Die Rolle der Mis- sionierung und damit auch der Kirche ist in diesem Mythos zentral41 und spiegelt die Idealisierung jener Verbindung von Slawen- bzw. Slowenentum und katholischer Kirche wider, gegen die die deutschnationale Bewegung seit dem 19. Jahrhundert auch in Kärnten mobil gemacht hat. So betrieb man in der Zwischenkriegszeit auf beiden Seiten, von deutschnatio- naler wie auch von nationalslowenischer Seite bzw. vonseiten des SHS-Staates Ge- schichtspolitik mit dieser Epoche. Fürstenstein und Herzogstuhl wurden dabei im Sinne des historischen Anspruchsdenkens immer wieder als Symbole verwendet.42 Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieben die Einsetzungszeremonien am Fürs- tenstein ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses. Im Kontext steigen- den Demokratiebewusstseins wies man nun vor allem auf den frühdemokratischen 39 Fräss-Ehrfeld, C.: Die ständische Epoche (1994), 346. 40 Ebd. 41 Erst in jüngster Zeit wurde dieser Zusammenhang zwischen Fürstenstein, slowenischem Nationalbe- wusstsein und Kirche wiederhergestellt. Am Hauptportal der erzbischöflichen Domkirche in Ljubljana, das 1996 von Papst Johannes Paul II. bei seinem Slowenienbesuch geweiht wurde, sieht man den Fürs- tenstein in der unteren Portalhälfte als »Symbol der slowenischen Staatlichkeit«, rechts davon ist der Chorbischof Modestus abgebildet, der die karantanischen Slawen in Kontakt mit dem Christentum brachte. Dahinter ist der »Dom« von Maria Saal zu sehen, links davon die Taufe der beiden karanta- nischen Geiseln in Bayern. »Die Szenen auf dem Tor stellen die Christianisierung der Slowenen und ihres Staates dar, und zwar in einer Weise, wie sie aus dem Repertorium der nationalen geschichtlichen Erinnerung geläufig ist. Sie spiegeln das kollektive Bewusstsein der Slowenen über ihre Vergangenheit wider«. Štih, P.: Suche (2009), 229–236, hier 229. 42 Ogris, A.: Mythos (2011), 623 f. Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
back to the  book Die Kirche und die »Kärntner Seele« - Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938"
Die Kirche und die »Kärntner Seele« Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
Title
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Subtitle
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
Author
Johannes Thonhauser
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23291-9
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
402
Keywords
Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Danksagung 11
  2. Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
  3. 1 Vorbemerkungen 13
  4. 2 Hinführung 17
    1. 2.1 Empirische Befunde zur Wahrnehmung der Kirche in Kärnten 18
    2. 2.2 Der Sonderfall Kärnten und die Kirche 23
  5. 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
    1. 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
    2. 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
    3. 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
    4. 1 Missionierung und Christianisierung 59
    5. 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
    6. 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
    7. 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
    8. 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
  6. 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
    1. 2.1 Soziale Konfliktlinien im Konfessionellen Zeitalter 75
    2. 2.2 Die Reformation in Kärnten 79
    3. 2.3 Die Rekatholisierung in Kärnten 84
    4. 2.4 Der konfessionelle Absolutismus in Kärnten 89
      1. 2.4.1 Zur Rolle der Jesuiten 92
      2. 2.4.2 Emigration, Geheimprotestantismus und Transmigration 94
      3. 2.4.3 Zum staatlichen Missionswesen in Kärnten 100
  7. 3 Das Nationale Zeitalter 103
    1. 3.1 Die Kärntner Kirche im Reformabsolutismus 104
    2. 3.2 Die französische Besatzung Oberkärntens und die liberale Ordnung 108
    3. 3.3 Kirche und Staat im Nationalen Zeitalter 110
      1. 3.3.1 Der Sprachenkonflikt und die Kirche in Kärnten 111
      2. 3.3.2 Deutschnationalismus und Antiklerikalismus in Kärnten 114
      3. 3.3.3 »Hetzpfaffen« und »Pfaffenhetze« im Kontext von Erstem Weltkrieg und Abwehrkampf 120
      4. 3.3.4 Die katholische Kirche in der Ersten Republik 125
  8. Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
  9. 1 Hinführung 129
    1. 1.1 Gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen 130
    2. 1.2 Ideologische Grundzüge des »Christlichen Ständestaates« 133
      1. 1.2.1 Der Politische Katholizismus im »Christlichen Ständestaat« 136
      2. 1.2.2 Das Konkordat von 1933/34 und die Verfassung vom 1. Mai 1934 138
      3. 1.2.3 Zur »Rekatholisierung« des Alltaglebens 140
      4. 1.2.4 Zur allgemeinen politischen Entwicklung des Ständestaates 142
    3. 1.3 Der »Christliche Ständestaat« in Kärnten 144
      1. 1.3.1 Zur administrativen Umsetzung des Ständestaates in Kärnten 145
      2. 1.3.2 Zur Kärntner nationalsozialistischen Bewegung im Ständestaat 147
      3. 1.3.3 Zur Rolle Bischof Hefters und des Politischen Katholizismus in Kärnten 1933 bis 1938 148
  10. 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
    1. 2.1 Hinführung 151
      1. 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
      2. 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
      3. 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
      4. 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
      5. 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
        1. 2.2.2.1 Der Weihnachtshirtenbrief 1933 165
        2. 2.2.2.2 Die Silvesterpredigt von Bischof Hefter 1933/34 169
        3. 2.2.2.3 Die Ausschreitungen im Jänner 1934 173
        4. 2.2.2.4 Die Februarrevolte 1934 176
      6. 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
      7. 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
    2. 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
      1. 2.3.1 Die Wahrnehmung der Kärntner Kirche als Agent der Regierung in Wien 181
      2. 2.3.2 Zur Einflussnahme der Kirche auf staatliche Behörden 184
    3. 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
      1. 2.4.1 Antiklerikalismus und die Person des Pfarrers 187
        1. 2.4.1.1 Streitbare Priesterpersönlichkeiten 188
        2. 2.4.1.2 Die Katechese der Drohung und Beschämung 191
        3. 2.4.1.3 Schmähungen der Bevölkerung durch den Priester 193
      2. 2.4.2 Finanzielle Austrittsgründe 196
    4. 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
      1. 2.5.1 Zur Rolle der protestantischen Geistlichen 198
      2. 2.5.2 Soziale Trägerschichten und »milieusensible« Propaganda 200
      3. 2.5.3 Zur Rolle finanzieller Unterstützungen durch die evangelische Kirche 202
    5. 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
      1. 2.6.1 Kirchenferne und die nationalsozialistische Ersatzreligion 204
      2. 2.6.2 Nationalsozialistische Propagandamethoden 206
    6. 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
  11. 3 Zwischenresümee 216
    1. 3.1 Zum zeitgeschichtlichen Ertrag des analysierten Archivmaterials 216
    2. 3.2 Zum mentalitätsgeschichtlichen Ertrag des analysierten Archivmaterials 218
    3. 3.3 Zur Komplementarität von Habitus und kulturellem Gedächtnis 220
  12. Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
  13. 1 Hinführung 223
  14. 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
    1. 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
    2. 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
      1. 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
      2. 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
        1. 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
        2. 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
        3. 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
        4. 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
        5. 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
        6. 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
        7. 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
    3. 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
      1. 2.3.1 Türken, Ungarn und Bauern in Jakob Unrests Österreichischer Chronik 262
      2. 2.3.2 Gedächtnisgeschichtliche Metamorphosen der Türkeneinfälle in Kärnten 266
    4. 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
      1. 2.4.1 Verstreute Erinnerungen an die Zeit der Gegenreformation 271
      2. 2.4.2 Emilie Zennecks Glaubensstreiter (1931/1946) 274
    5. 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
      1. 2.5.1 Die Franzosenzeit als Patriotenzeit 283
      2. 2.5.2 Franzosenbild und Gesellschaftskritik in Hans SittenbergersTagebuch der Scholastica Bergamin (1899) 286
      3. 2.5.3 Franzosen und Kärntner in Dolores Viesèrs Roman Nachtquartier(1971) 293
      4. 2.5.4 Zwischenresümee 301
    6. 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
      1. 2.6.1 Josef F. Perkonigs Verhältnis zu Religion und katholischer Kirche 305
      2. 2.6.2 Das Bild von Klerus und Heimat in der Tragödie Heimsuchung 309
      3. 2.6.3 Perkonigs Wirken im »Christlichen Ständestaat« 314
    7. 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
      1. 2.7.1 Bäuerliches Herkunftsmilieu und Sozialisation 319
      2. 2.7.2 Kloster, Kunst und Liebe 321
      3. 2.7.3 Krise, Ständestaat und endgültiger Bruch mit der Amtskirche 327
      4. 2.7.4 »Anschluss« und Nationalsozialismus 330
      5. 2.7.5 Lobisser und das kollektive Gedächtnis Kärntens 334
  15. 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
  16. Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
  17. 1 Rückblick 344
  18. 2 Ausblick 348
  19. 3 Zusammenfassung 350
  20. Anhang 353
  21. 1 Abkürzungsverzeichnis 353
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Die Kirche und die »Kärntner Seele«