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317Sieben
Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens
aus dem Heimatbund, wurden zu gewichtigen Entscheidungsträgern und Nazifunk-
tionären im »neuen« Kärnten.380
Amann weist überdies die beschwichtigende Feststellung Nussbaumers, dass »die
Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft für Perkonig eine Zeit unverdienter per-
sönlicher Zurücksetzungen und Kränkungen«381 gewesen sei, harsch als »schlicht
falsch« zurück : »Ganz im Gegenteil. Perkonig erfuhr Förderung und Verbrei-
tung[…,] Einladungen, auch hochoffizielle […] blieben nicht aus. Nach wie vor war
Perkonig gut für Ämter, so […] für das Amt eines Kommissars für Wiedergutma-
chung im Gau Kärnten[…,] außerdem das Amt eines stellvertretenden Landesleiters
der Reichsschrifttumskammer für den Gau Kärnten«382.
Amann versichert auch, dass die Behauptung Perkonigs, der zufolge seine »dich-
terischen Werke […] in den letzten zwölf Jahren […] kein nationalsozialistisches
Gedankengut« enthielten und dass er in seiner »Dichtung dem zuletzt herrschenden
Zeitgeist in keiner Weise Rechnung getragen« habe, »durch eine ganze Reihe von
Beispielen eindeutig zu widerlegen«383 sei.
Perkonig konnte sich nach dem Krieg geschickt als Opfer »dieser elenden Dilet-
tanten«384, wie er die nationalsozialistischen Machthaber schon wenige Tage nach
Kriegsende in einem Brief bezeichnete, darstellen. So konnte sein Werk und Wir-
ken unbeschadet als Ausdruck des Kärntner Heimatbewusstseins erinnert werden,
das beständig um die Lebensthemen Abwehrkampf und Volksabstimmung kreiste.
Dieser Eindruck verfestigte sich mit dem Erscheinen seines umfangreichen Opus
magnum, des Romans Patrioten (1950),385 der jene Zeit des Abwehrkampfes noch
einmal resümierend in den Blick nimmt. Anders als in der unter dem unmittelba-
ren Eindruck der Ereignisse verfassten Tragödie Heimsuchung hat Perkonig hier den
Anspruch, nicht mehr »erfüllt von den Ressentiments jener Zeit« zu sein, sondern
»Distanz zu Menschen, Dingen und Ereignissen gewonnen«386 zu haben. Perkonig
380 Ebd., 44–49.
381 Nussbaumer, E.: Josef Friedrich Perkonig (1965), 19 f.
382 Amann, K.: Der Wort-Führer Kärntens (1989), 51 f.
383 Ebd., 52. Eines davon findet sich in dem schon erwähnten Jugendlesebuch Kärnten/Heimatland, Ah-
nenland, dessen Herausgeber Perkonig 1942 war. Hier findet sich Perkonigs Aufforderung, für Volk
und Führer bis in den Tod zu gehen : »Es gab einmal eine bittere Zeit – und es ist noch gar nicht
lange her seit damals – da haben für Volk und Führer auch in unserer Heimat so manche ihr Leben
lassen müssen, andere bangten in dunklen Kerkern, und Tausende hatten Schmerzliches zu erdulden.
Aber sie ertrugen alles gerne, weil sie wußten, daß es für ihr Volk geschah. Folge ihnen nach : Gib für
Deutschland Glück und Gut dahin und, wenn es sein muß, auch das Leben !« Perkonig, J. F.: Volk und
Führer (1942), 319.
384 Amann, K.: Der Wort-Führer Kärntens (1989), 55.
385 Perkonig, J. F.: Patrioten (1969).
386 Nussbaumer, E.: Geistiges Kärnten (1956), 473.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353