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Kirche und Habitus im kulturellen
Gedächtnis322
giestudium nach St. Paul zurück, wurde zum Priester geweiht, aber schon ein Jahr
später nach Wien geschickt, wo er in der Kunstakademie die Ausbildung zum ge-
prüften Zeichenlehrer machen sollte.402
Wieder nach St. Paul zurückgekehrt, wurde er wie geplant Zeichenlehrer im
Stiftsgymnasium. Ein ernsthaftes Streben nach künstlerischer Selbstverwirklichung
erwachte allerdings erst Anfang der 1920er Jahre. Dazwischen war er ab 1914 vor
allem als Forstmeister tätig. Ein Auftrag, die Gymnasialkapelle des Stiftes zu gestal-
ten, veranlasste ihn, abermals in Wien das Aktzeichnen zu studieren. 1922 und 1923
wurde ihm von Bischof Hefter die Ausmalung der Kapelle im Marianum in Klagen-
furt übertragen. Erst in dieser Zeit ist Lobisser mit der Holzschnitttechnik, mit der
er populär werden sollte, vertraut gemacht worden. »Im Frühsommer 1923 legte ich
in der Wiener Sezession ein paar Blätter vor, der Präsident setzte sich nieder ; so was
habe er noch nie gesehen ! Die ›Neue Freie Presse‹ schrieb darüber in hohen Tönen
und der Erfolg war da.«403
In den nächsten Jahren gewann Lobisser rapide an Popularität.404 Auch die Kunst
der Freskomalerei eignete er sich an. Die Auseinandersetzung mit populären For-
men moderner Kunst wie etwa dem Kubismus, dem Impressionismus oder dem Ex-
pressionismus hatte der Kärntner Künstler hingegen nie gesucht. Er war Natur und
Tradition tief verbunden, sein Stil gilt als eine von modernen Strömungen unbe-
einflusste Fortsetzung der romantischen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts.405
Lobisser war in seiner künstlerischen Karriere überaus produktiv, er schuf über 600
Holzschnitte, zahlreiche Fresken, Ölbilder und Aquarelle.
Mitten in die Zeit seines künstlerischen Aufstiegs fiel die Bekanntschaft mit jener
Frau, die sein Leben und seine Kunst verändern sollte : Eva Luise Bleymaier war
Gerichtsschreiberin aus Voitsberg. Lobisser nutzte seine Zeit als Forstmeister für
ausgedehnte Wanderungen, wo er seine »Ev« kennenlernte und schließlich ab 1924
eine Liebesbeziehung zu ihr unterhielt. Der Benediktinermönch hatte den Dachbo-
den einer Brennholzhütte des Stiftes zu einem Atelier umgebaut, wo Ev nun immer
häufiger anzutreffen war und im Laufe der Zeit auch seine Korrespondenzen erle-
digte und die Finanzen regelte.406
Ev diente Lobisser als Vorbild vieler Frauenfiguren in seinem Werk. »Sie war mir
mit ihrer vollschlanken Gestalt, dem seriösen Wesen und dem feinen Gesichtsbau
402 Ebd., 57.
403 Ebd., 88.
404 Dazu trugen auch einschlägige kunsthistorische Aufsätze bei, die Lobisser in Fachkreisen bekannt
machten, wie Weixlgärtner, A.: Switbert Lobisser (1925), Fasal, A.: Switbert Lobisser (1927) oder
Kadletz, W.: Switbert Lobisser (1929/30).
405 Bäumer, A.: Switbert Lobisser (1996), 10.
406 Lobisser, S.: Das Lobisserbuch (1941), 93–96.
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353