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65Höfe
im Fokus der Buchführung
den Gunstlagen des östlichen Flach- und Hügellandes kaum anzutreffen ; auch
hier herrschte noch die verbesserte Dreifelderwirtschaft mit Betonung des Feld-
futter- und Rübenbaus auf Kosten des Sommergetreides vor. In den Getreidewirt-
schaften nahm das Getreide, hier vor allem Weizen und Gerste, etwa zwei Drittel
des Ackers ein ; in den Hackfruchtwirtschaften trat der Kartoffel-, Futter- und
Zuckerrübenanbau stärker hervor. Ähnliche Anbauverhältnisse auf dem Ackerland
zeigten auch die Betriebe in den Weinbauzonen
– mit Ausnahme der Weinbaube-
triebe mit ihrem erhöhten Feldfutterbau.82 Damit treffen wir auf das letzte Unter-
scheidungsmerkmal der Betriebstypen, das Ausmaß des Weinbaus.
Über den betriebseigenen Futteranbau und den Stallmistbedarf hingen Größe
und Art des Grundbesitzes mit Größe und Art des Viehstandes zusammen. Zu-
nächst fallen die unterschiedlichen Viehdichten, bezogen auf die landwirtschaft-
liche Nutzfläche, auf : Die Werte lagen in den östlichen Trockenregionen am
niedrigsten, im futterwüchsigen und verhältnismäßig ackerreichen Alpenvorland
sowie in den günstiger gelegenen Getreidewirtschaften des Waldviertels mit etwa
einer GVE pro Hektar am höchsten. Die Voralpenbetriebe mit ihren geringeren
Ackerflächen und mageren Futterernten auf dem vielfach flachkrumigen und stei-
nigen Dauergrünland erreichten diese Viehdichten ebenso wenig wie die ertrags-
schwachen Futterwirtschaften des Waldviertels. Die Betriebe unterschieden sich
zudem durch das verwendete Zugvieh, dessen Anteile am gesamten Viehbestand
zwischen einem Sechstel in den Weinbauwirtschaften und einem Drittel in den
Acker-Waldwirtschaften der Voralpen schwankten : Vorwiegend Pferdeanspan-
nung betrieben die Ackerwirtschaften des östlichen Flach- und Hügellands und
des Alpenvorlands ; Pferde- und Ochsenanspannung war für die Getreidewirt-
schaften des Waldviertels und die Futterwirtschaften des Alpenvorlands kenn-
zeichnend ; Ochsenanspannung dominierte in den Waldviertler Futterwirtschaften
und den Voralpen. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal dienen die Größenver-
hältnisse der Bestände an Milchkühen und verschiedenen Arten von Jungrindern,
die sich zu Viehwirtschaftstypen zusammenfassen lassen : Ein Extrem bildeten
die Vollaufzuchtwirtschaften in den ausgesprochenen Zuchtgebieten des Wald-
viertels und der Kalkalpen, in denen bei geringem Milchviehbesatz das anfallende
Jungvieh zur Gänze nachgezüchtet wurde. Das andere Extrem war die teilweise
Aufzucht- bis Abmelkwirtschaft in den Hackfrucht-, Hackfrucht-Weinbau- und
Weinbauwirtschaften im Osten, wo das Milchvieh – in den größeren Betrieben
für die Milchvermarktung, in den kleineren Weinbauwirtschaften zur Eigenver-
sorgung – großteils zugekauft wurde. Dazwischen lagen die mit Kühen bestens
ausgestatteten Futterwirtschaften des Alpenvorlands, die nur die notwendigsten
Ergänzungen an Kalbinnen vornahmen und die schlechteren Grünlandlagen zur
Ochsennachzucht heranzogen ; die Acker-Waldwirtschaften des Wechselgebiets
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937