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73Höfe
im Fokus der Buchführung
Milch- und Mastviehs, verursachte das ganze Jahr hindurch einen gleichbleiben-
den Arbeitsaufwand. Daher waren hier, wie die hohen Anteile ständiger Fremd-
arbeitskräfte zeigen, die Dienstboten eine wichtigste Arbeitskraftressource. Die
durchschnittliche Arbeitsintensität ging mit einem überdurchschnittlichen Me-
chanisierungsgrad einher. Die Betriebe des Wienerwaldes (E), die in der Buchfüh-
rungsstatistik 1937 noch zum Produktionsgebiet Alpenvorland gezählt wurden,
ähnelten in vielerlei Hinsicht jenen der Voralpen.103
Stand das östliche Flach- und Hügelland am einen Ende des Spektrums der
Produktionsgebiete in Niederdonau und Wien, so befand sich das Alpengebiet (F)
am anderen. Die Durchschnittsgröße der Betriebe lag an der Spitze aller Produkti-
onsgebiete. Die Anteile der Nutz- an der Kulturfläche und der Acker- an der Nutz-
fläche fielen hingegen am niedrigsten aus. Auch die Bodennutzungsintensität be-
wegte sich, bedingt durch die ungünstigen Boden-, Klima- und Reliefbedingungen
des Voralpenlandes, am unteren Ende des Spektrums. Die über dem Durchschnitt
liegende Intensität der Viehhaltung war, wegen der bescheidenen Grünlanderträge,
nur durch eine überdurchschnittliche Futterfläche zur Versorgung der anteilsmäßig
herausragenden Rinderbestände zu halten. Die Betriebsgrößen fanden in höheren
Durchschnittszahlen der Arbeitskräfte pro Hof ihren Ausdruck. Wie im Alpen-
vorland und im Wienerwald traten auch hier, bedingt durch das Gewicht der Rin-
derhaltung, die Anteile ständiger Dienstboten hervor. Die Arbeitsintensität auf der
landwirtschaftlichen Nutzfläche lag, angesichts der höheren Wiesen- und Wei-
denanteile, unter dem Durchschnitt. Damit ging, abgesehen von den verbreiteten
Dreschmaschinen, ein äußerst geringer Mechanisierungsgrad einher. Arbeit auf
dem Bergbauernhof war, diesen Zahlen zufolge, noch weitgehend Handarbeit.104
Unter den Bedingungen für die regionale Ausprägung landwirtschaftlicher Pro-
duktionsgebiete widmeten die Agrarraum-Konstrukteure der Landesbauernschaft
Donauland ihre Aufmerksamkeit vorrangig den durch Relief, Boden und Klima
bedingten „wildwachsenden Pflanzengesellschaften“, die als „Fingerzeig für die
Lebensbedingungen der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen“105 galten. In den Be-
ckenlandschaften des Pannonischen Flachlandes (A) herrschten aufgrund des groß-
teils höchst fruchtbaren Bodens und des warm-trockenen, durch eine sommerliche
Hitzewelle gekennzeichneten Klimas Pflanzen der pannonischen Vegetationsstufe
(Schwarzföhre, Fingergras, Goldhafer usw.) als „Vorposten der pontischen Steppe“
vor. Auffällig sind dabei Einrichtungen zur Regelung des Wasserhaushalts : ober-
irdisch eine Reihe von Schutzvorrichtungen gegen einen übermäßigen Wasser-
verlust, unterirdisch tief in das wasserhältigere Erdreich vordringende Wurzeln.
Durch einen raschen Wachstumsschub im Frühjahr wurde die Fruchtbildung meist
schon vor der sommerlichen Trockenheit abgeschlossen. Dementsprechend schien
das Produktionsgebiet vor allem für Getreide-, Wein- und Gemüsebau sowie Son-
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937