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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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75Höfe im Fokus der Buchführung den späten Vegetationsbeginn im Frühjahr und die herbstlichen Frühfröste an- gepasst. Daher erforderte der Ackerbau, dessen Schwerpunkt auf Feldfutter- und Hackfruchtbau lag, die Züchtung kälteunempfindlicher, rasch reifender Sorten ; daneben nahmen Wald und Dauergrünland den Großteil der Kulturfläche ein. Wie das Alpengebiet zählte auch das hinsichtlich Relief und Klima ähnliche, je- doch durch Urgesteinsböden geprägte Waldviertel (G) zur oberen baltischen und subalpinen Vegetationsstufe ; auch hier schien aus vegetationskundlichen Überle- gungen die „Züchtung besonderer Sorten, die den Anforderungen des harten Kli- mas gewachsen sein müssen“, unumgänglich.108 Das Augenmerk der Reichsnährstands-Statistiker auf die Bedingungen des Pflanzenwachstums zur Herleitung landwirtschaftlicher Produktionsgebiete ent- sprach einer praktikablen Lesart der Organismustheorie des landwirtschaftlichen Betriebes, die den Hof wie einen lebenden Organismus konstruierte. Auffallend dabei ist die militaristische Rhetorik  – „Vorposten“, „Vorschreiten“, „Kampfzone“  –, die den ideologisierten „Kampf um Lebensraum“ in die Natur projiziert, gleichsam naturalisiert, und dessen Ideologiecharakter verschleiert. Dabei erhalten die endo- genen Bedingungen von Agrarsystemen gegenüber den exogenen (Natur-)Bedin- gungen weitaus weniger Aufmerksamkeit. Um die black box des „Hoforganismus“ auszuleuchten, hat das Ökotypen-Modell bereits wichtige Einsichten, vor allem die Abhängigkeit der Haushaltsgröße und -zusammensetzung vom agrarischen Produktionsschwerpunkt, eröffnet. Doch um die Beobachtung nicht vorschnell auf einseitige Abhängigkeiten zu verengen, sollten wir offen sein für Wechselwirkun- gen : In welcher Weise hing der Betrieb vom Haushalt im Allgemeinen und von der Besitzerfamilie im Besonderen ab ? Während das Ökotypen-Modell der einen Richtung folgt, bildet die andere den Ausgangspunkt der Lehre von der bäuerlichen Wirtschaft Alexander Tschajanows. Ersteres Modell rückt die vieh-, acker- und weinwirtschaftlichen Erfordernisse des Betriebes, letzteres die am jeweils gelten- den Bedürfnisniveau orientierten Familienerfordernisse in den Mittelpunkt. Das Familienwirtschafts-Modell sieht im angestrebten „Gleichgewicht zwischen der Beschwerlichkeit der Arbeit und dem Maß der Bedürfnisbefriedigung“109 den ent- scheidenden Antrieb bäuerlichen Wirtschaftens, der die Arbeitenden in Krisenzei- ten in die „Selbstausbeutung“110 treibt. Einerseits drängen die Konsumbedürfnisse der im Haushalt lebenden Verbraucher/-innen die Arbeitenden, ihr Pro-Kopf- Einkommen  – und damit das gesamte Familieneinkommen  – zu steigern ; ande- rerseits wird die Verausgabung der Arbeitskraft durch die körperliche Beschwer- lichkeit begrenzt. Die Jahresarbeitszeit jeder Familienarbeitskraft wird durch das Abwägen von Kosten und Nutzen jedes zusätzlichen Arbeitstages bestimmt ; die  – auch von äußeren Preisbedingungen abhängige  – Grenze wird im Inneren der Familienwirtschaft so gezogen, dass „die Angestrengtheit, mit der die Familie
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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